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Ein Traum von einem Schloß

Die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft verwaltet Schlösser in Brandenburg und sucht statt Traumtänzern reelle Schloßherren für Boitzenburg und Wulkow  ■ Von Barbara Bollwahn

Der sechsjährige Christopher aus den Vereinigten Staaten hatte einen Traum: ein Schloß mit einem Verließ. Der Traum rückte in greifbare Nähe, als der Junge davon hörte, daß in Deutschland Schlösser angeboten werden. Flugs schrieb er einen Brief an die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (TLG). Diese verwaltet etwa 20 Schlösser und Herrenhäuser in den neuen Bundesländern, die früher von der Armee, der Stasi oder als Ferienheime genutzt wurden. Sieben davon befinden sich in Brandenburg, wo es insgesamt über eintausend Schlösser und Herrenhäuser gibt.

Christopher hatte es auf Boitzenburg abgesehen, ein wasserumflutetes Adelsschloß mit einem fast zehn Hektar großen Grundstück, 80 Kilometer südlich von Berlin. Zustand und Infrastruktur interessierten den kleinen Amerikaner nicht die Bohne. Er wollte ein Castle mit einem Verließ: „I would like to make it into a hotel, so lots of children could come and sleep in a castle and look at a real dungeon“, schrieb er. Sein Kapital: die Unterstützung von Mom and Dad und 119 US-Dollar.

Doch Boitzenburg ist noch immer herrenlos. Nachdem es von der Nationalen Volksarmee als Erholungsheim genutzt wurde, steht es seit 1989 leer. Es ist zwar eins der schönsten und besterhaltensten Adelsschlösser Brandenburgs, doch weil es sehr groß und nicht leicht zu erreichen ist, ist es nur schwer an den Mann zu bringen. „Es ist ein Wahnsinnsaufwand“, so Uwe Stemmler von der TGL, „den passenden Deckel zum Topf“, sprich den passenden Herrn oder Herrin zum Schloß, zu finden. Boitzenburg wurde in einer internationalen Ausschreibung vor zwei Jahren als prädestinierter Standort für ein Hotel, Bildungs- oder Schulungszentrum, Klinik oder Ferienparadies angepriesen. Doch unter den über dreißig Bewerbern aus dem In- und Ausland war nichts Passendes dabei.

Besser lief es beispielsweise bei Schloß Teupitz, wo für 700.000 Mark ein Hotel- und Gaststättenkomplex entsteht. Schloß Zernikow wird für sechs Millionen Mark zu einem Museum umgebaut. Im Schloß Neuhardenberg, 80 Kilometer östlich von Berlin, will der Deutsche Sparkassen- und Giro- Verband ein Bankenbegegnungszentrums errichten.

„Schlösser reizen immer zu außergewöhnlichen Aktivitäten“, weiß Uwe Stemmler. Doch allzuoft werde im Traumschloßrausch vergessen, daß die meist heruntergekommenen Anwesen viel Geld verschlingen. Weil selten die großen Investoren vor der Tür stehen, komme man den Interessenten mit einem überzeugenden Planungs- und Finanzierungskonzept bisweilen beim Kaufpreis entgegen. Denn entscheidend sei, Investoren mit wirtschaftlich tragfähigen Konzepten zu finden, die auch denkmalpflegerische Auflagen erfüllen können. Die Entscheidung darüber trifft ein Vergabeausschuß, in dem auch die Kommune und das Denkmalamt sitzen.

Nach zwei Ausschreibungen in den letzten Jahren konnte die TGL Brandenburg bisher vier Schlösser an den Mann bringen. Neben Boitzenburg wird auch noch für Wulkow, zehn Kilometer nördlich von Frankfurt (Oder), ein Interessent gesucht. In Wulkow wird nach dem Scheitern eines semiprofessionellen Schloßherrn erneut Ausschau nach einem Besitzer gehalten. Der neue Eigentümer sollte ein Konzept in der Tasche haben, das zu dem Projekt „Ökologisches Dorf“ Wulkow paßt – und entsprechend Geld mitbringen. Denn obwohl das Schloß aus dem 17. Jahrhundert für eine symbolische Mark zu haben ist und für das 6.000 Quadratmeter große Areal nur 51.000 Mark zu zahlen sind, sind die Renovierungskosten nicht von Pappe. Von dem einstigen Schloß ist nicht mehr viel übriggeblieben.

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