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■ NormalzeitHotel Krause – Endstation Sehnsucht

Zurückhaltung ist angesagt beim Vorstellen erfolgreicher Existenzgründungen: Bisher ging noch jede, für die ich mich begeisterte, bankrott – erwähnt seien Foron, MuZ und Narva-Priamos, sowie Möbel-Max. Einen „Rekord an Firmenpleiten“ befürchtet nun gar der brandenburgische Hotel- und Gaststättenverband: Bis Mai diesen Jahres gaben bereits 47 Betriebe auf. Viele, weil sie die Kreditraten nicht mehr zahlen konnten. Die Auslastung ging gegenüber 1995 „um rund 20 % zurück“, derzeit liege sie bei durchschnittlich 35 %. Für das Scheitern seien zudem oftmals „mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse“ verantwortlich: Vor allem sogenannte Seiteneinsteiger hält der Verband für überdurchschnittlich gefährdet.

All dies trifft ausgerechnet auf unser derzeitiges Lieblings-„Hotel Krause“ in Eggersdorf am Bötzsee zu. Da helfen auch nicht die wohlwollenden Worte der SPD-Bürgermeisterin Katja Wolle anläßlich der Hoteleinweihung: „Wir sind sehr stolz auf unsere Monika und den Jürgen!“ Monika war früher Leiterin dieses ehemaligen Ferienobjekts des VEB Formbau Schwarzenberg gewesen. Jürgen arbeitete als Beleuchter beim Fernsehen. Nach seiner Scheidung lernte er Monika kennen, kündigte in seinem Betrieb und fungierte fortan als ihr Hausmeister.

Mit der Wende bekamen sie einen fünfzehnjährigen Pachtvertrag vom VEB Schwarzenberg. Damit war das Objekt für die Treuhand fast unverkäuflich geworden, so daß das Ehepaar Krause darangehen konnte, es selbst zu erwerben und zu modernisieren. Den Rest erklärte uns Herr Schnitzler, Firmenkunden- betreuer der Weber-Berliner Industriebank: „Das war eine klassische Existenzgründungs-Finanzierung, d. h. ein Mittel-Mix aus Bonner Eigenkapitalhilfe, zinssubventioniertem Existenzgründerdarlehen (aus dem European Recovery Program) und den üblichen Landesfördermitteln im Rahmen des Aufschwung Ost. Diese Programme machen bereits 90 % der 1,5 Millionen Mark aus, die Krauses benötigten.“ Jürgen engagierte sodann eine Westberliner Bauträger-Gesellschaft, die sich jedoch als Schwindelunternehmen erwies: Weder war sie ins Handelsregister eingetragen noch beschäftigte sie reguläre Arbeitskräfte. Als es zum Eklat kam und die Firma auch noch ihre Baumaterialien, die Krauses bezahlt hatten, abziehen wollte, ging Jürgen mit einer Eisenstange dazwischen. Dennoch belief sich der Verlust auf rund 300.000 DM.

In dieser Situation übernahmen die Krauses die Bauleitung selbst, einige frühere Kumpel von Jürgen die Handarbeit. Hinzu kamen einige Kleinbetriebe in der Nachbarschaft: „Das funktionierte alles nach dem Motto ,Ossis helfen Ossis‘!“ – und nennt sich bankintern „Muskelhypothek“. „Geholfen hat auch, daß die Bürgermeisterin wirklich Dampf gemacht hat, das war phantastisch“, so Herr Schnitzler. Nach der Einweihung halfen andere Freunde von Krause bei der Belegung weiter: Eine Jugendamtsleiterin quartierte tschechische Jugendliche ein, eine arbeitslose Dolmetscherin polnische Tourismus-Manager und ein PDS-Bundestagsabgeordneter eine frischgeschiedene Bekannte als Dauergast. „Bei der Vermarktung werden wir uns auch fürderhin vor allem auf Mundpropaganda verlassen“, meint Monika Krause. Da sie wegen der niedrigen Deckenhöhe im Keller nur ein Hotel Garni eröffnen durfte, ließ sie den Garten hinterm Haus zu einem Biergarten mit Grillplatz umbauen. Das war zu Beginn der Urlaubssaison. Auf meinen besorgten Anruf, kurz bevor ich diesen Text schrieb: Wie es denn jetzt so laufe? – antwortete Jürgen: „Bombig, wir müssen jetzt die ersten Leute einstellen, sonst schaffen wir das alles gar nicht mehr. Ich bin schon völlig fix und fertig!“ Das hört man gerne! Helmut Höge

(wird fortgesetzt)

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