■ In den nächsten zehn Jahren soll die Schraube angezogen werden: Bayerns SPD-Chefin Renate Schmidt und der Bauunternehmer Hubert Fritz sprechen über die ökologische Steuerreform, die sie lieber Ressourcensteuer nennen würden: "Wir brauchen
taz: Wie sieht denn Ihre Ressourcensteuer konkret aus, Frau Schmidt? Ein weiteres Steueropfer, das die vielbeschworene Abwanderung deutscher Unternehmen ins Ausland zusätzlich anheizt?
Renate Schmidt: Etwas muß klar sein. Eine Reform unseres Steuersystems hin zur Besteuerung natürlicher Ressourcen darf nicht dazu führen, daß die Steuerbelastung höher wird. Das ist das oberste Prinzip einer solchen Steuerreform. Wenn man das vernünftig macht, dann wird sie sogar deutlich niedriger. Denn gleichzeitig mit diesen Steuereinnahmen aus der Ressourcensteuer – und das Wort gleichzeitig ist dabei das wichtigste –, werden die Arbeitskosten, sprich Lohnnebenkosten, reduziert. Wenn Sie ökologisch arbeiten, sparen Sie Geld, schaffen Sie Arbeitsplätze. Und genau deshalb wird es auch keine Abwanderung von Firmen geben.
In welchem Zeitraum soll denn das alles umgesetzt werden?
Schmidt: Wir werden in einem kontinuierlichen Zeitraum von mindestens zehn Jahren und auch darüber hinaus den Verbrauch natürlicher Ressourcen reduzieren, weil wir ihn konsequent besteuern. Wir tun dies aber so, daß sich die Wirtschaft darauf einstellen kann, ebenso der Verbraucher.
So was tut sicherlich einigen auch richtig weh. Da wird es Verlierer und Gewinner geben. Auch unerwünschte Gewinner, denken Sie nur mal an Banken und Versicherungen, die nun mal einen sehr geringen Energieeinsatz haben. Und Ihnen, Herr Fritz, als Ökohausbauer tut es sicherlich weniger weh als Firmen mit einem großen Energiebedarf. Sie können also leicht zustimmend nicken.
Hubert Fritz: Wir machen ja nur das, was andere auch nachmachen können. Und damit schaffen wir Innovationen, wir haben Patente geschaffen, und wir müssen mit der Fertigung nicht ins Ausland gehen. Ich brauche ja auch für neue Ideen immer die Werkstätten vor der Tür. Es ist ein ganz großer Fehler, wenn unsere Firmen nach außen gehen. Wenn ich beispielsweise heute eine Produktionsstätte in Tschechien haben, dann bin ich weg von dieser Produktionsstätte. Ich erlebe die Fehler nicht, ich sehe auch nicht die Verbesserungen, und damit bin ich draußen.
Schmidt: Weil Sie gefragt haben, wer die Profiteure sind: Das sind auf der einen Seite solche Unternehmen wie der Baufritz. Aber es gibt selbstverständlich auch Nebenwirkungen, von denen ich als Sozialdemokratin sage: Ja, um Himmels willen. Das ist nicht unbedingt derjenige, den ich unbedingt gewollt habe. Nur: Die absolute Gerechtigkeit gibt's leider nicht. Natürlich müssen wir uns was einfallen lassen für Leute, die darauf angewiesen sind, jeden Tag 60 Kilometer mit ihrem Auto zur ihrem Arbeitsplatz zu fahren. Auf so was muß man eingehen und sagen, für einen Übergangszeitraum muß es eben Steuererleichterungen in solchen Situationen geben.
Also eine Steuerreform mit vielen, vielen Ausnahmen. Kann denn der Steuerzahler so was akzeptieren; daß die wirklich großen Energieverschwender wie Stahl, Chemie, Papier, Aluindustrie, daß die großzügige Übergangsregelungen bekommen und er gleich zur Kasse gebeten wird?
Schmidt: Das kann man den Menschen durchaus klarmachen. Wenn man sagt, wenn wir das nicht tun, gibt es eben bei uns chemische Produktion nicht mehr in dem Umfang, wie es nötig ist, dann werden die Leute das verstehen, und dann akzeptieren sie das auch.
In Dänemark wird übrigens seit Jahren so verfahren.
Pragmatische Lösungen, Herr Fritz, wie schauen die denn in der Praxis aus? Nehmen wir mal das Berliner Regierungsviertel. Sollen wir da Fritzsche Ökoholzhäuser hinstellen?
Fritz: Wir müssen auch oder sogar besonders bei Großbauten umdenken. Klar kann ich ein Regierungsviertel ökologisch bauen, warum nicht? Das müssen deshalb ja nicht lauter Holzhäuser sein. Nehmen Sie doch den Enregieverbrauch als Beispiel. Wir brauchen derzeit für unsere Altbauten im Schnitt 25 Liter Heizöl pro Quadratmeter im Jahr. Nötig wären aber nur 5 Liter. Und dann sagt man, wir dürften die Leute nicht belasten. So ein Schmarrn! Und ob ich diese Verschwendung besteuern kann. Dann kommen plötzlich Energiesparideen. Der Heizölverbraucher wird volkswirtschaftlich denken.
Statt fleißiger Arbeit belasten wir künftig die Ressourcen. Wir gehen her und sagen: Kies, Kalk, Sand, all das wird belastet. Ich erhebe die Steuer also direkt an der Quelle. Ressourcensteuer würde auch bedeuten, daß ich den Altbestand, also da, wo alte Gebäude abgerissen werden, kaum oder gar nicht besteuern müßte, weil dieses Grundstück ja schon bebaut war oder ist. Neue Landausweisung muß hingegen besteuert werden.
Und Sie glauben als Unternehmer, das würde uns nicht zurückwerfen, würde uns im Gegenteil sogar weiterbringen und nicht als „Auftragskiller“ wirken?
Fritz: Nein. Wir würden vielmehr endlich wieder unsere führende Rolle in der Umwelttechnik zurückerobern. Das wird uns alles nicht geschenkt. Ich meine auch, wir brauchen einen gewissen Leidensdruck, denn nur dann wird auch reagiert. Wir haben die Aufgabe, das, was wir verschmutzt, was wir zerstört haben, wieder zu bereinigen.
Wenn wir das bereinigen, dann kann uns eine kräftige Energieeinsparung sicherlich dabei helfen. Wie hoch ist die denn konkret? Haben Sie da aus Ihrer eigenen Firma Zahlen?
Fritz: Wir haben bei uns den Energieverbrauch um zwanzig bis dreißig Prozent gesenkt. Es ist gar nicht so schwer. Aber ich gehe noch weiter. Ich glaube, Arbeitsplätze entstehen nur noch dann, wenn neue Techniken kommen. Die deutsche Technologie ist bei weitem nicht mehr so gefragt am Weltmarkt wie früher. Da ist vieles kopiert worden, vieles sogar kräftig weiterentwickelt worden.
Schmidt: Ernst Ulrich von Weizsäcker sagt uns, daß im Bereich der Energieeffizienzsteigerung mehr Arbeitsplätze drin sind, als sie im gesamten Bereich der Gentechnik überhaupt vorstellbar wären. Das wäre alles High-Tech vom Feinsten. Wenn wir uns vorstellen, daß alle Chinesen auch nicht mehr gern mit dem Fahrrad, sondern lieber mit dem Auto fahren möchten, und wenn sich dann alle solche Benzinkutschen kaufen, wie wir sie hier haben, dann können wir diese Welt wegschmeißen.
Nachdem es kein angeborenes Menschenrecht darauf gibt, daß wir diejenigen sind, die das alles dürfen, und die anderen nicht, müssen wir sagen: Das, was die in den nächsten Jahren an Energie mehr brauchen, müssen wir einzusparen versuchen.
Heißt das, daß wir mit der Ressourcensteuer unserer weltpolitischen Verantwortung endlich gerecht werden?
Schmidt: Das heißt es auch, aber ich habe da nicht nur hehre Grundsätze, sondern ich bin auch ganz egoistisch für das Land, in dem ich Abgeordnete bin. Ich möchte einfach, daß hier neue Arbeitsplätze entstehen. Aber ich will auch, daß wir nicht in Konflikte geraten, die unmenschlich werden. Denn es werden doch die Menschen nicht zulassen in diesen Schwellenländern, daß wir das so weiterbetreiben wie bisher. Die werden sich einfach holen, was sie wollen.
Es heißt aber doch immer, Deutschland tut eh schon so viel.
Schmidt: Das stimmt doch so nicht. Es ist sicherlich richtig, daß wir in Sachen Müllbeseitigung europaweit einen sehr guten Standard erreicht haben. Aber in anderen Bereichen sind wir mitnichten Vorreiter. Der CO2-Ausstoß ist eben in Frankreich und Italien geringer als bei uns.
Sie gelten als Pragmatikerin, Frau Schmidt. Ist eine ökologische Steuerreform durchsetzbar? Ist sie tatsächlich durchsetzbar und, wenn ja, in welchem Zeitraum?
Schmidt: Ja warum denn nicht? Schauen Sie doch mal, was derzeit passiert. Da sind grausame Sachen durchsetzbar mit diesem Sparpaket, die die Leute treffen, ohne daß die Revolution ausbricht. Dieses Konzept der Ressourcensteuer bedeutet, daß es eine Entlastung geben wird, eine Entlastung für einen großen Teil der Bevölkerung, und das wird Arbeitsplätze bringen. In einigen Fällen wird man auch sagen müssen, daß Menschen negativ betroffen sind. Aber ich sage, für die große Masse ist es positiv!
Fritz: Ich stimme Ihnen zu, Frau Schmidt. Unser Steuergesetz ist so überladen, da ist eine Steuerreform überfällig. Ich bin eigentlich persönlich für die Revolution. Wir brauchen, das habe ich schon gesagt, den revolutionären Schub – weg von der Besteuerung der tüchtigen Leistungsträger, hin zu den Umweltbelastern.
Schmidt: Richtig. Steuern haben diesen Namen, weil sie etwas steuern sollen. Lassen Sie uns das nicht vergessen.
Also, Sie kriegen das tatsächlich hin mit der Ressourcensteuer, mit der ökologischen Steuerreform, Frau Schmidt?
Schmidt: Wenn ich regieren dürft', dann schon!
Und wenn nicht?
Schmidt: Ich sage, daß die derzeitige Regierung offensichtlich dazu nicht bereit ist. Ich freue mich aber über jeden Ansatz, den es auch im Regierungslager gibt. Also, ich gehe davon aus, daß es in der nächsten Legislaturperiode den Beginn einer solchen Ressourcenbesteuerung geben wird. Ich werde übrigens dieses Wort jetzt immer verwenden, weil es mir besser gefällt als Ökosteuer. Wenn wir keinen Regierungswechsel haben sollten, dann habe ich das Gefühl, daß dann ein großer Teil der Zukunft verschlafen wird. Und glauben Sie nicht, daß die anderen schlafen würden.
Wir hatten bisher auf dem Weltmarkt den größten Exportanteil an Umwelttechnologien. Wir sind inzwischen auf Platz zwei oder drei zurückgefallen. Ich gebe zu, auch bei uns ist manchmal ein Denken vorhanden, von wegen: „Wagen wir uns doch in schwierigen Zeiten nicht an Reformen!“ Da frage ich mich allerdings: In welchen Zeiten denn dann? Interview: Klaus Wittmann
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