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Nicht unbedingt beleidigend

■ Dokumentation: Der Autor Wolfgang Bittner hält seine Vorwürfe gegen Heinz G. Konsalik aufrecht

Nach Ernst Jünger und Leni Riefenstahl scheint nun sogar der Rechtsaußen der deutschen Trivialliteratur, Heinz Konsalik, salonfähig zu werden. Jetzt werden vier Konsalik-Verfilmungen von der Filmstiftung NRW mit vier Millionen Mark gefördert. Ein Skandal. Die Filmstiftung ist eine Tochter des Landes NRW und des WDR und soll eigentlich fördern, was gut ist und es schwer hat.

Konsalik, ein Extremfall. Ich halte sein Werk nicht nur für trivial und frauenfeindlich, sondern auch für tendenziell faschistoid. Das habe ich – u.a. in meiner Eigenschaft als Angehöriger des WDR- Rundfunkrats – mehreren Zeitungen gegenüber und im Fernsehen geäußert. Daraufhin erhielt ich eine Klageandrohung der Anwälte von Konsalik, Streitwert 150.000 Mark. Man schrieb mir, daß meine Äußerung eine schwerwiegende Beleidigung darstelle und jeder tatsächlichen Grundlage entbehre. Ich sollte mich verpflichten, Herrn Konsalik, bei Meidung einer Strafe in Höhe von 25.000 Mark für jeden Fall der Zuwiderhandlung, nicht mehr als faschistoid zu bezeichnen. Weiter sollte ich Herrn Konsalik jeden aus meiner Behauptung entstandenen und noch entstehenden Schaden ersetzen.

Anlaß, mich überhaupt mit Konsalik zu beschäftigen, war natürlich nicht die Absicht, ihn zu beleidigen, sondern die in meinen Augen verfehlte Filmförderung aus öffentlichen Mitteln. Für Kultur ist angeblich kein Geld mehr da, und zugleich investiert man in eine sogenannte Konsalik-Collection. Insofern sah ich mich nicht in der Lage, die geforderte Verpflichtungserklärung abzugeben, zumal sich für die von mir geäußerte Meinung zahlreiche Belege finden. Zum Beispiel treten in dem Bestseller „Der Arzt von Stalingrad“ zwei in sowjetische Gefangenschaft geratene SS-Ärzte auf, die in Minsk Menschenversuche gemacht haben. Sie sollen zu einer Kooperation mit dem Nationalkomitee Freies Deutschland bewegt werden. Aber sie sagen, es gehe gegen ihre Ehre, mit Kommunisten zusammenzuarbeiten; sie spucken dem deutschen Major, der sie anwerben will, ins Gesicht – nach Meinung des Autors offensichtlich „feine Kerle“. An anderer Stelle heißt es: „Durch die Nacht gellte der Schrei der Sowjets. ,Germanskij! Urrä!‘ ... Leskau duckte sich, als einer der Russen ihn ansprang. Er sah ein Messer in der Hand, ein verzerrtes mongolisches Gesicht schnellte auf ihn zu ... ,Pjoß‘, hörte er (Hund!). Eine helle, fast kindliche Stimme. Sie kam aus dem gelben Gesicht wie ein dünner Schrei. Leskau hob die Hand. Er sah keinen anderen Weg. In das breite asiatische Gesicht hinein schoß er mit seiner 08 ... Die geschlitzten Augen sahen ihn fast erstaunt an...“ Immer wieder werden die „Untermenschen aus dem Osten“ vorgeführt, mehrfach kommen in diesen Entäußerungen Frauen vor, denen Gewalt angetan wird und die das nach Darstellung des Autors dann doch noch genießen.

Nicht bloß die Figur, der Autor spricht

Konsalik kann sich nicht dahinter verschanzen, daß er nur seine Figuren sprechen lasse; zu oft kommt seine Meinung unverblümt zum Durchbruch. Er ist schon vor Jahren von namhaften Literaturwissenschaftlern ein „neofaschistischer Autor“ genannt worden, und in dem Band „Tendenzen der deutschen Gegenwartsliteratur“ schreibt Bernhard Zimmermann: „Zu Recht hat Wolfgang Langenbucher darauf aufmerksam gemacht, daß die Romane Simmels sich – im Unterschied zu denen Konsaliks – nicht in die unrühmliche Tradition der reaktionären und antiaufklärerischen Unterhaltungsromane der Vergangenheit einordnen lassen, in denen autoritäres Denken, Chauvinismus und ressentimentgeladene Demokratiefeindlichkeit ihren literarischen Ausdruck fanden.“ Georg Seeßlen bescheinigt Konsalik in seinem Band II „Romantik & Gewalt“ inhumane Gesinnung, unterschwellige Kriegshetze und rassistische Diffamierung. Er schreibt, der Autor drücke „sehr deutlich seine dem Geist des Nationalsozialismus nicht eben widersprechende Einstellung aus“. In der Zeit vom 3.10.1980 heißt es: „... ist die Grausamkeit seines Romans, die er als Notwendigkeit ausgibt, empörend ... Ritter ist ein alter Nazi, aber ein feiner Kerl ... Sich treu geblieben, ein alter Nazi geblieben.“

Anläßlich einer Fernsehsendung im Oktober 1986 ist in der Presse von „rechtslastigen Politsprüchen“ des Autors die Rede, der auch zu Wort kommt: „Politik ist das schmutzigste Geschäft, das es gibt. Ein Politiker muß einen gebrochenen Charakter haben. Er muß immer lügen“ (Kölner Express vom 17.10.1986).

Diesen Belegen ließen sich zahlreiche anfügen. Hinzu kommt, daß die Bezeichnung „faschistoid“ schon seit längerem im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist und nicht unbedingt beleidigenden Charakter hat, ebensowenig wie die Bezeichnung „trivial“. Prof. Dr. phil. Karl Otto Conrady schreibt dazu in einem Gutachten: „Das Adjektiv ,faschistoid‘ bezeichnet ,Nähe zum faschistischen Gedankengut‘, während das Adjektiv ,faschistisch‘ die ,direkte Ausprägung des Faschismus‘ meint. In der Beschäftigung mit einem Autor und seinen Schriften gehört das Wort ,faschistoid‘ zum wertenden Vokabular einer Kritik, die die durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gesicherte Meinungsfreiheit Rechtens für sich in Anspruch nimmt.“

Konsalik protestiert nicht nur, er droht mit dem Gericht. Offenbar glaubt er, daß dies der geeignete Weg sei, sich Aufklärung über seine Erzeugnisse zu verschaffen. Allenthalben ist schließlich zu hören, daß besonders aus schlechten Büchern gute Filme würden. Und bei der Filmstiftung meint man, vom Werk Konsaliks völlig absehen zu können, man „verwurste“ es ja lediglich.

Der Fall erscheint symptomatisch für die augenblickliche gesellschaftliche Situation in Deutschland; er weitet sich in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr zu einem Kulturstreit aus, der längst schon fällig war und in dem grundsätzliche Positionen zur Debatte stehen.

Kürzlich hat der Vorsitzende der Filmförderungskommission der Filmstiftung NRW einen recht peinlichen offenen Brief geschrieben (taz vom 24.7.1996). Er konzediert „Momente des Trivialen“ in den Drehbüchern, sieht das eigentliche Problem aber in dem „unreflektierten und zum Totschlagargument mutierten Wortbegriff ,faschistoid‘“. Wer lasse sich schon – so der Vorsitzende neben einigen mich diskriminierenden Seitenhieben – „vor dem Hintergrund einer historischen Schuldlast und der auch in einer offenen Gesellschaft erforderlichen Wachsamkeit, ja, des immer wieder einzufordernden Argwohns gegenüber allen Formen und Erscheinungen politisch und religiös motivierter Rassismen mit einem Autor ein, dem das Stigma ,faschistoid‘ als negatives Markenzeichen aufgebrannt wird?“ Wohl wahr. Als ob die teilweise faschistoiden Inhalte des Konsalikschen Werks nicht lange schon bekannt wären!

Noch ein weiteres Mitglied der Filmförderungskommission hat sich geäußert, der Hauptabteilungsleiter des WDR, Enrico Platter. Er meint, „daß in den geförderten Drehbüchern eigentlich nur Figuren- und Handlungskonstellationen der Konsalik-Vorlagen übriggeblieben“ seien.

Auch der Schauspieler Rüdiger Vogler, der bereits für einen der Konsalik-Filme vor der Kamera steht, hat sich zu Wort gemeldet: „Machen Sie sich die Mühe, lesen Sie den Roman und dann das Drehbuch. Ich würde wetten, die Bezeichnung ,Ein Film nach Konsalik‘ wäre juristisch nicht haltbar.“

Nichtsdestoweniger wirbt die Filmstiftung NRW in ihren Presseinformationen nach wie vor mit der „Konsalik-Collection“ oder der Verfilmung von vier Büchern „des Erfolgsautors Heinz G. Konsalik ... in einer internationalen Koproduktion“.

Klageandrohung zurückgenommen

Und die Konsalik-Pressebetreuung teilt der Öffentlichkeit mit: „Rechtzeitig zum 75. Geburtstag des berühmten deutschen Bestsellerautors Heinz Konsalik produziert Gerhard Schmidt (Gemini- Film) in Koproduktion mit Dagmar Konsalik (DGK-Film) und mit Unterstützung der Filmstiftung NRW die Konsalik-Collection im Auftrag der Degeto für die ARD. (Die Degeto ist eine Tochtergesellschaft des Ersten Deutschen Fernsehens, an dem bekanntlich der WDR maßgeblich beteiligt ist.)

Seit mehreren Tagen ist nun von der Filmstiftung keine Erklärung mehr zu erhalten. Lediglich ein Brief ihres Geschäftsführers an den Verband deutscher Schriftsteller liegt vor, in dem es heißt: „Ihr Mitglied, Dr. Wolfgang Bittner, wirft Herrn Heinz G. Konsalik vor, daß er Teile seiner Werke ,nicht nur für trivial, sondern für faschistoid‘ hält, und der VS NRW identifiziert sich mit dieser Aussage ... Das Gesamtwerk von Herrn Konsalik, das Sie hier kritisieren, steht für die Filmstiftung nicht zur Diskussion. Ich möchte deshalb, wie es auch schon der Vorsitzende des Filmförderungsausschusses, Herr Hans Vetter, getan hat, diese Kritik zurückweisen.“

Soeben erhalte ich über die „Aspekte“-Redaktion des ZDF einen Brief des Agenten von Konsalik, wonach die Klageandrohung zurückgenommen wird: „Da die von Herrn Bittner laut dessen eigener Aussage bewußt gewählte Bezeichnung ,faschistoid‘ nach deutscher Rechtsprechung keinen beleidigenden Charakter hat, deshalb auch nicht strafwürdig ist..., lehnt es Herr Konsalik entschieden ab, zu den Aussagen von Herrn Bittner selbst Stellung zu nehmen ...“

Inzwischen haben der Schriftstellerverband und zahlreiche Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wie beispielsweise Günter Wallraff, Lew Kopelew, Klaus Staeck, Dieter Hildebrandt und Johannes Mario Simmel ihre Solidarität erklärt.

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