■ Olympias Sieger: Die Firma, die nur noch Positives erlebt: Frankreich (ist dritter)
Die Firma Frankreich hatte sich daran gewöhnt, daß Nachrichten vor allem schlecht sind. Von Arbeitslosigkeit über Attentate bis hin zu Atomtests produzierte das Land zuletzt wenig Vorzeigbares. Mit Olympia hat sich das geändert: Nun hagelt es Gold und andere Edelmetalle (letzter Medaillen- Count: 13/6/13), und die Medien triefen vor Positivnachrichten.
Der olympische Medaillenspiegel leitet die Nachrichtenüberblicke ein, egal was sonst noch in der Welt passiert. „Frankreich ist Dritter“, heißt es – meist ohne Hinweis darauf, wer Erster und Zweiter ist. Die patriotische Euphorie bestimmte selbst am Tag nach dem Attentat die französische Zeitungslandschaft: „Blut und Gold“ titelte der konservative Figaro. Die kommunistische Humanité machte mit „Trauer und Erfolg“ auf.
Der ungewohnt große Erfolg gibt den Sportlern Möglichkeiten, die manche geschickt nutzen. So
Kriegt alles gebacken: Frankreich Zeichnung: Elfi Engel
antwortete Marie-José Perec auf die Routinefrage, wem sie ihr 400-m-Gold widme: „Chirac, dem Präsidenten“. Der bedankte sich schriftlich für das „Format und die Klasse“ der Frau aus Guadeloupe. Der Judoka Djamel Bouras war weniger gewieft. Er widmete sein Gold den „moslemischen Brüdern“. Als Reporter mehr über die religiöse Praxis des in einer Vorstadt von Lyon Geborenen wissen wollten, rezitierte er Verse aus dem Koran. Nationale Begeisterung löste er damit nicht aus.
Seit der rechtsextreme Parteichef Jean-Marie Le Pen bei der Fußball-EM angemerkt hat, daß die französischen Spieler nicht einmal die Worte der Nationalhymne auswendig könnten, haben es sich viele Medienleute zur Aufgabe gemacht, Sportler aus Einwandererfamilien ideologisch abzuklopfen. Bei dem gläubigen Moslem Bouras brachte der Nationalhymnentest einen Erfolg für die Firma Frankreich: Er sang dem Reporter eines Privatsenders die Hymne im Vorstadtdialekt vor. Dorothea Hahn, Paris
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