■ Neues vom Kampf um den Wertinger Lieblingsbaum: Keine Kastanie, kein Konto
Wertingen (taz) – Sie ist zum Dauerbrenner geworden – die 120 Jahre alte Kastanie im Biergarten in der Stadtmitte von Wertingen. Die ortsansässige Bank will den Baum fällen, weil sie die Baulücke mitten in der Stadt schließen will. Das wiederum wollen viele Bürger von Wertingen nicht. Drei ganz unterschiedliche Gutachten gibt es inzwischen. Sie reichen von „Baum kaputt“ über „Baum einigermaßen gesund“ bis hin zu „Baum gesund“.
Jetzt haben sich einige Wertinger zu einer für diese Kleinstadt äußerst ungewöhnlichen Protestaktion entschieden: „Ich habe mein Konto gekündigt, weil mir das Vorgehen der Genossenschaftsbank in Sachen Kastanie und Biergarten nicht gefallen hat. Ich habe schon als Schüler angefangen, bei der Genoba zu sparen, bin seit 20 Kunde.“ Doch jetzt reicht es Martin Winkler endgültig. Er fühlt sich von seiner Hausbank verschaukelt. Zuerst habe sie versprochen, beim Neubau die alte Kastanie zu erhalten, dann sei sie „scheibchenweise davon abgerückt“.
Winkler ist nicht der einzige Wertinger, der sich zur Kontokündigung entschlossen hat. Angesehene Leute, Handwerker, Geschäftsleute und Privatpersonen ärgern sich über die Bank, mit der sie eigentlich jahrzehntelang zufrieden waren.
„Ich hab mir das ziemlich lange überlegt und meine Frau auch. Ich war auch zu einem Gespräch bei der Bank, aber sie reden sich nur mit fadenscheinigen Argumenten raus. Die Genoba ist nicht mehr die Bank meines Vertrauens“, sagt Josef Mengele.
Und Christiane Glügler stimmt ihm zu. „Es fällt mir nicht leicht, meine Konten zu kündigen, weil ich bisher immer ganz gut bedient wurde, und zumindest mit den Leuten am Schalter kam ich gut zurecht. Was die Bankoberen aber mit dem Baum machen, hat bei mir den Eindruck erweckt, hier sind ganz andere Sachen im Spiel, da wird gemauschelt.“
Ähnlich argumentiert der Geschäftsmann Heinz Völker, der ebenfalls dabei ist, seine Konten aufzulösen. Christine Glügler ist sich sicher, daß dies alles erst der Anfang ist. „Ich werde nicht die einzige bleiben. Ich haben schon von verschiedenen Leuten in der Stadt gehört, daß sie ebenfalls ihre Konten auflösen werden, wenn diese Kastanie fällt.“
Der Protest in Wertingen geht quer durch alle Berufsgruppen, quer durch alle Altersschichten – auch wenn der Bankvorstand versichert, erst jüngst bei der Delegiertenversammlung habe sich gezeigt, daß eine breite Mehrheit für das Fällen des Baumes sei. Was ist los in der beschaulichen 7.000-Einwohner-Stadt? Wieso werden brave Bürger plötzlich so rebellisch? Wo sich doch die Bankvorstände völlig im Recht fühlen. Der Baum sei in der Alterungsphase und langfristig nicht zu erhalten, sagt Bankchef Josef Linder, der sich durch zwei von drei Gutachten bestätigt fühlt.
Daß es bereits zu Kontokündigungen gekommen ist, räumt er ein. Wie viele es sind, will er mit Verweis auf das Bankgeheimnis allerdings nicht sagen. „Wir nehmen die Dinge sehr ernst. Wir bedauern, wenn Leute sagen, aufgrund der Baumgeschichte möchten wir nicht mehr Kunden bei der Genoba sein.“ Aber es werde einseitig auf der Bank herumgehackt, die doch nur das Beste für Wertingen wolle. Dann gibt der einflußreiche Bankmanager aber doch indirekt zu, daß der umstrittene Baum in den Planungen eigentlich gar keinen Platz mehr hat. „Wir haben hier ein Grundstück, das eine begrenzte Fläche bietet. Wir haben ein Grundstück erworben, um langfristig unseren Standort in Wertingen für unsere Kunden zu sichern... Die jetzigen Planungen gehen davon aus, daß wir langfristig, wenn wir langfristig das Gebäude planen, langfristig den Baum nicht erhalten können.“ (sic!)
Zu aufwendig seien die Sanierungsarbeiten für die Kastanie, die doch im günstigsten Fall nur noch zwanzig Jahre vor sich habe. Daß ein von der Bürgerinitiative beauftragter Baumpfleger von mindestens weiteren hundert Jahren Lebenserwartung ausgeht, wollen die Banker nicht gelten lassen. Schließlich sei das ja, anders als der von ihnen beauftragte Gutachter, kein staatlich vereidigter Sachverständiger.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative, die schon ein Protestfrühstück, einen Kabarettabend mit den vom „Scheibenwischer“ her bekannten „Mehlprimeln“ und eine Reihe weiterer Veranstaltungen zum Erhalt des Baumes durchgeführt haben, wollen nicht klein beigeben. Inzwischen hätten sie auch die Unterstützung vom Bund Naturschutz zugesichert bekommen, freut sich Marlis Proksche, die Sprecherin der Initiative. Klaus Wittmann
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