: Der lichte Moment der Ironie
■ Bill Clintons gesammelte Weissagungen zum 50. Geburtstag
Berlin (taz) – Im Alter wird man schlau. Dieses Schicksal erreicht jetzt auch den Präsidenten der USA, obwohl sein 50. Geburtstag erst in 16 Tagen fällig ist. In einem Interview mit dem Wall Street Journal (Alter: 107 Jahre) zu diesem Anlaß hat Bill Clinton schon jetzt seine Altersweisheit vorgelegt, was ihm wohl um so leichter fällt, als seine Interviewerin dem diskreten Hinweis der Zeitung zufolge älter ist als er. „Ist dieser Meilenstein für Sie ein Wendepunkt?“ fragt Trude Feldman und erhält von dem Noch- 49Jährigen die wenig schmeichelhafte Antwort: „Wenn man 50 wird, gibt es mehr Gestern als Morgen.“ Was mit 47, als Clinton Präsident wurde, offenbar noch ganz anders war. „Ich hatte solches Glück“, vertraut der Präsident der Befragerin an. „Ich werde jetzt anfangen, mehr über die langfristigen Implikationen der Sachen, die ich mache, nachzudenken.“
Dann mal los. Noch hat ja Clinton, der erste nach dem „New Deal“ geborene Präsident der USA, die Sozialreform nicht unterzeichnet, die für Millionen Amerikaner einen Rückschritt hinter die 30er Jahre bedeutet. Oder meinte er das etwa mit „mehr Gestern als Morgen“? Komplizierte Fragen, denen ein Präsident kurz vor seinem 50. Geburtstag aber nicht ausweichen darf. „Ich merke, daß ich nicht klug genug war, um viele dieser Entscheidungen selbst zu treffen“, sagt er. Frau Feldman hatte gefragt: „Wie hat Ihre Präsidentschaft Ihr Seelenleben beeinflußt?“ Und Clintons Antwort geht weiter: „Ich merke, daß ich, egal wie hart ich arbeite oder was für eine Art von Hirn Gott mir gegeben hat, einige dieser Entscheidungen nicht zu Ende denken oder vollständig kalkulieren kann.“
Dafür hat er ja Hillary. Sie davon zu überzeugen, ihn zu heiraten, nennt Bill Clinton die größte Leistung seines Lebens. Ein erneuter Einzug ins Weiße Haus wäre Clinton allerdings auch wichtig. Angesichts seiner derzeit hervorragenden Chancen kann er sich dabei ein wenig Koketterie leisten. „Bob Dole ist nicht wie ich; wir sind ganz verschieden“, enthüllt der Präsident und erläutert das: „Senator Dole ist ein guter Wahlkämpfer, sehr hart und effektiv, und ich erwarte, daß er ziemlich gut abschneidet.“ Leider verdirbt er diesen lichten Moment der Ironie gleich wieder. „Wissen Sie“, meint er, „ich glaube, es tut gut, nette Sachen über Rivalen zu sagen.“ D.J.
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