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■ VLBAlways Ultra

Daß dieser Körpervorgang ein nicht zu unterschätzendes Politikum im Geschlechterkampf darstellt, ist mir schon seit jenen Schultagen klar, an denen die Mädchen sich zu meinem großen Neid mit einem bloß eben noch zart hingehauchten Hinweis auf „meine Tage“ vom Unterricht zu dispensieren pflegten. (Manche machten ziemlich häufig Gebrauch davon, so etwa in Zweiwochenrhythmen. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemals ihre Glaubwürdigkeit bezweifelt wurde.) Über solchen Geheimnissen ist schon mancher zum Frauenforscher geworden.

Dieses Buch zur Geschichte der Hygiene enthält einige Beiträge, die geeignet sind, dem befreiten Körper ein Gefühl der Schwere zurückzuerstatten, ohne ihn mit kulturkritischen Rodomontaden zu überziehen.

Die Volkskundlerin Birgit Ohlsen hat sich in die verschlossensten Gebiete des dunklen Kontinents begeben, der der Frauenkörper einmal war. War? Beim Lesen ihres Beitrags zur „Geschichte der Menstruationshygiene“ wird man an die seltsam unverständlichen Karten denken müssen, mittels derer die optimale Plazierung von Tampons auf den Beipackzetteln erklärt wird. Oder an diese Röhrchen, die es den Frauen ermöglichen sollen, Tampons einzusetzen, ohne dabei ihre Geschlechtsteile mit den Fingern zu berühren. Oder an die einschlägigen Fernsehspots für Damenbinden, in denen eine „blaue Ersatzflüssigkeit“ (blaues Blut?) die Saugfähigkeit demonstriert.

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war die Menstruation für viele Frauen eine öffentliche Angelegenheit. Binden waren in den unteren Schichten weitgehend unbekannt oder unüblich, so daß das Blut lediglich mit dem Hemd aufgefangen wurde. An den Waschplätzen war die menstruierende Frau somit der Kontrolle der Nachbarinnen ausgesetzt, die registrierten, wann und in welchen Abständen blutige Wäsche gewaschen wurde. Im Falle der mutmaßlichen Kindsmörderin Johanne Schmidt, die 1827 in Braunschweig angeklagt wurde, war das Bluten vor den Augen der Nachbarinnen sogar gerichtsrelevant als Beweis ihrer Unschuld. Aus den Aussagen der anderen Frauen geht hervor, wie normal solche für unsere Begriffe intime Zeugenschaft war.

Die Mutmaßungen der Medizin über den besonderen Charakter des Monatsblutes, über giftige Inhaltsstoffe (sog. Menotoxine) sind abenteuerlich zu lesen: einflußreiche Jungensphantasien, die den Alltag der Frauen äußerst beschwerlich gestalteten. Mehr noch als die medizinische Aufklärung hat schließlich eine kleine Erfindung mit der Vorstellung aufgeräumt, die Menstruation sei eine pathologische Funktion: die wegwerfbare Damenbinde, die mit dem Massenprodukt Camelia (nach der Kameliendame, mit deren Motiv auch geworben wurde!) ab 1926 für alle erschwinglich wurde. Auch Camelia war übrigens blau verpackt. Für die Schüchternen gab es kleine Zettel zur Vorlage im Geschäft: „Bitte, geben Sie mir eine diskret verpackte Camelia-Schachtel.“

Ohlsen glaubt daran erinnern zu müssen, „daß der eigentlich ,natürliche‘ Umgang mit der Menstruation das freie Abfließenlassen des Blutes ist“. Den Tampon verbucht sie bloß noch als Disziplinierungsmittel, mit dem die Frau der männlich dominierten Angestelltenwelt kompatibel gemacht wurde. Aber das ist dann bloß noch eine übertriebene kritische Geste für die Galerie. Wer bis hierher gelesen hat, weiß, daß Frauen mit einer Berufung auf Natur nichts zu gewinnen haben.

Regina Löneke, Ira Spieker: „Reinliche Leiber – schmutzige Geschäfte. Körperhygiene und Reinlichkeitsvorstellungen in zwei Jahrhunderten“. Wallstein-Verlag Göttingen, 1996, 303 Seiten, 40 Abb., 38DM

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