: Der Barbier von Bebra (9)
■ Von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel
Kommissarin Güzel hat ein Münchener Nobelrestaurant aufgesucht. Sie ist nicht allein.
Sie genoß die Pause und nahm einen schönen Schluck Chablis.
Am Nebentisch wurde es unangenehm laut. Fünf Kerle, die schon reichlich Prosecco intus hatten, schnipsten nach der Kellnerin. „Fünfmal T-bone-Steak mit allen Schikanen!“ schrie einer. „Eiweiß für den Leitwolf!“
Die Kommissarin blickte auf und identifizierte die Führungsriege des FC Bayern München, in Lederhosen und Trachtenjankern: Franz Beckenbauer, Karl- Heinz Rummenigge, Lothar Matthäus und Edmund Stoiber. Mit von der Partie war Reinhold Beckmann. Seine Augen leuchteten. „Ich hab' Ewigkeiten am Katzentisch gesessen“, buckelte er blau, „aber was ich hier bei euch bekomme, das ist endlich Höhenluft pur!“
„Bei dir geht doch das Nicken schneller als das Katzenficken“, keckerte Edmund Stoiber gehässig. Alle außer Beckmann lachten. Erst mit Verzögerung stimmte der alerte Mister Bundesliga ein.
Matthäus schlug mit der Faust auf den Tisch und ließ die Gläser tanzen. „Davon verstehst du was, Edmund!“
Karl-Heinz Rummenigges Gesicht lief puterrot an. „Du fütterst doch die Hand, die dich beißt!“ moserte er und stupste den Alt-Internationalen in die Rippen.
Schreiend ließ sich Matthäus vom Stuhl fallen und kollerte durchs Restaurant. „Einen Arzt! Einen Arzt!“ kojotete er und winkte nach Doc Müller-Wohlfahrt, der sich für solche Fälle stets in der Personalgarderobe bereithielt. Im Galopp eilte der Sportfacharzt mit zwei Masseuren herbei. Matthäus erhielt eine ambulante Schlammpackung und wurde mit Blaulicht in die Nervenklinik überstellt.
„Den sind wir ja billig losgeworden“, strahlte Franz Beckenbauer. „Eine Lage Schampus für die Champions!“
„Ist ja 'ne Superstimmung hier!“ Harry Klein kam von der Toilette zurück und schnurgelte mit der Nase. „Und nun zu uns, Verehrteste.“ Er setzte sich. „Ich habe über uns nachgedacht. Wissen Sie, ich bin ein unheimlich harter Typ geworden hier bei der Kripo. Ich hab' richtig Hornhaut auf der Seele. Andererseits möchte man ja auch mal den Dorn poliert bekommen. Man ist ja kein Unmensch. Oder soll ich mir das etwa durch die Rippen schwitzen?“ Er lächelte Gisela Güzel vieldeutig zu und leckte sich mit der Zunge einmal über das ganze Gesicht.
„Puuh, it's a dog's, dog's, dog's world“, seufzte Gisela Güzel und gab der Kellnerin ein Zeichen.
„Aber ich bitte Sie!“ rief Harry Klein spesenritterlich. „Das geht natürlich auf mich!“
Er wollte nach Gisela Güzels Hand greifen, doch die Rettung kam von rechts: Franz Beckenbauer schüttelte ekstatisch eine Magnumflasche Mumm.
Der Korken schoß heraus und brach Inspektor Klein das Nasenbein. Eine Art Ata rieselte ihm aus den Nasenlöchern. Ein Champagnerstrahl traf Gisela Güzel ins Ohr.
Sie schüttelte sich.
„Ha, ha, ha, erste Kaisersahne!“ wieherte Beckenbauer, und seine Zechkumpane applaudierten ihm.
„Einen Stuntman! Einen Stuntman!“ bettelte Harry Klein.
Einem vorübereilenden Kellner riß Gisela Güzel eine Flasche Hausmarke vom Tablett, legte auf Beckenbauer an und rief ihm zu: „Nimm das, Lichtgestalt!“
Die Kommissarin hatte exzellent gezielt. Der Korken fuhr mit lautem Knall aus dem Flaschenhals, traf Beckenbauers linkes Auge, prallte ab, beschleunigte, zerschmetterte Stoibers Kinn, sauste von dort gegen Rummenigges Adamsapfel, sprang im rechten Winkel wieder ab und donnerte gegen die Decke, von wo aus er genau in Reinhold Beckmanns weit aufgerissenen Schnabel traf und ihn gut verkorkte. Diesen Kunstschuß hatte die Kommissarin schon als Zwölfjährige von Karl May gelernt.
Fortsetzung folgt
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