piwik no script img

Der kleine Wicht hinterläßt Provinz

Elegant hat VfB-Präsident Mayer-Vorfelder den ungeliebten Trainer Rolf Fringer wegbefördert – Cruyff dürfte er bis zum Ligaauftakt allerdings nicht mehr als Nachfolger gewinnen  ■ Aus Stuttgart Jochen Brägel

Mit einer eleganten Geste übergab der Extrainer gestern das Kommando beim Vormittagstraining an seinen vormaligen Assistenten. Mit den Worten „ich freue mich riesig auf die Rückkehr in die Schweiz“ fuhr Rolf Fringer dann gegen Mittag in Richtung Bern davon. Um viertel nach acht am Dienstag abend hatte der VfB Stuttgart per Fax mitteilen lassen, was eh schon jeder wußte: Wieder mal ist ein VfB-Trainer gescheitert, diesmal Fringer (39). Nach Jürgen Röber und Jürgen Sundermann ist er der dritte in 18 Monaten, der geht – und das drei Tage vor Saisonstart. Das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesliga.

Der Schweizer wurde aber nicht gefeuert, der VfB gab sich die Gnade, ihn freizugeben, damit er sofort als Chefcoach der Schweiz wirken kann. „Nationaltrainer in seiner Heimat zu werden, ist eine Chance, die wir Rolf Fringer nicht verbauen wollen“, diktierte VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder seinem Pressemann in die schriftliche Erklärung – und rauschte daraufhin gutgelaunt ins für nichts und niemanden zu erreichende Abseits.

Man kann es sich gut vorstellen, wie sich Baden-Württembergs Finanzminister zufrieden im heimischen Sessel zurückgelehnt hat. Den Mann wäre er losgeworden! Elegant, gekonnt, ganz im Stile eines professionellen Politikers mit über 30 Jahren Erfahrung. Nicht einfach rausgeworfen hat er ihn – wegbefördert, das hat Klasse. Auf jeden Fall war es die beste Lösung für den allgewaltigen Präsidenten, der schon seit Monaten den kantigen Rotschopf aus der Umlaufbahn der ihm sympathischen Menschen gekegelt hatte.

Das Verhältnis Mayer-Vorfelder/Fringer war schon im Frühjahr auf frostige Geschäftigkeit abgekühlt. Danach brachte der freche Fringer dem schwäbischen Multifunktionär auch noch hausintern eine schmerzhafte Niederlage bei. Schon vor dem Ende der vergangenen Saison wollte der Große Vorsitzende seinem Sportdirektor den Stuhl vor die Tür stellen. Doch zum erstenmal in seiner 21jährigen Präsidentenära verweigerten ihm die VfB-Funktionäre hartleibig den Gehorsam und sprachen sich für Fringer aus. Dies alles trotz Platz 10 in der Tabelle. Das tat dem Mann fürs Grobe in der baden- württembergischen CDU sakrisch weh. Wer war der kleine Wicht, der es wagte, die Allgewalt beim VfB anzupinkeln?

Von da an war Fringer jedenfalls ein zukünftiger Extrainer. Mayer-Vorfelder lauerte auf seine Chance, und wer sah, wie die Mannschaft sich aus dem UI-Cup gegeigt hatte und durch die Spiele in der Bundesliga-Vorbereitung getümpert war, der wußte, daß der Präsident am Ende doch gewinnen würde.

Das Interesse des Schweizer Fußball-Verbandes (SFV) an Fringer kam ihm entgegen, auch daß die Pro-Fringer-Fraktion im Verein nach dem UIC-Gekicke bröckelte. Jetzt ist Fringer also weg. Und Vorzeigespieler Fredi Bobic konnte gestern, „nach dem, was vorgefallen ist“, den freudigen Abschied des Trainers „nachvollziehen“.

Der Rest der Truppe schweigt und harrt eines neuen Übungsleiters, der den Versuch wagt, aus einem Haufen abgezockter Kicker eine Mannschaft zu formen. Wer immer es sich zutraut – es ist eine Herkulesarbeit. Leistungsträger wie Balakov oder Elber muß erst wieder die rechte Lust aufs Schwabenland ins Herz gesenkt werden; Altlasten wie Buck und Berthold sind immer noch da.

Natürlich gibt es genügend Namen für die Nachfolge. Gestern hieß es, Assistent Joachim Löw werde am Samstag zum Bundesliga-Auftakt gegen Schalke das Team coachen. Vielleicht nimmt aber auch schon ein Neuer auf der Bank Platz.

Lorenz-Günter Köstner (Unterhaching) wird genannt, Eckhard Krautzun, Arie Haan und Johan Cruyff. Bei letzterem Namen lachen selbst die überzeugtesten Fans. Vielleicht kommt auch Uli Stielike, oder Rainer Zobel. So oder so: Es ist zu erwarten, daß es wieder ziemlich provinziell hergehen wird beim schwäbischen Renommierclub VfB Stuttgart.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen