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■ Was darf der "Barbier von Bebra"? Soll dem Helden des taz-Sommerromans das Morden verboten werden? Zwei BürgerrechtlerInnen sehen die Serie als "literarische Anleitung zum Mord an Andersdenkenden" und verfassen denAufruf zum Boykott der

Aufruf zum Boykott der taz

Erlebnisbericht von Jörg Lau

Natürlich ist es noch keine Nachricht, wenn Journalisten sich mit gewählten Volksvertretern und Repräsentanten politischer Gruppen getroffen haben, um über publizistische Gretchenfragen wie die Freiheit der Kunst zu debattieren und sich die beliebte Frage zu stellen: Was darf Satire?

Daß Vera Lengsfeld und Konrad Weiß, beide MdB (Bündnisgrüne), sich gestern zu diesem Zweck in der taz einfanden, wäre denn auch eigentlich kein Thema für einen prominenten Platz wie diesen. Wenn dabei allerdings nach etwa einer halben Stunde erregten Streits ein Brief gezückt wird, der zum Boykott der taz aufruft, stellt sich die Sache schon etwas anders dar. Wenn dieser Brief dann auch noch links oben das erhabene Hoheitszeichen der Bundesrepublik trägt, darf man die Sache wohl als öffentliche ansehen. Und wenn sich schließlich – durch ein ebenso ahnungsloses wie bestürztes Fax von Ralph Giordano („Wohin driftet die taz?“) – herausstellt, daß der Boykottaufruf schon längst ein öffentlicher ist, dann führt kein Weg mehr daran vorbei, die Leser ins Bild zu setzen.

Worum geht es? Heute erscheint die zehnte Folge eines Fortsetzungsromans von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel, in dem einer gewissen Gisela Güzel, „Deutschlands schönster Polizistin“, die Aufklärung einer rätselhaften Mordserie obliegt. Die Opfer sind durchweg Männer mit Bärten, die aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR bekannt sind: Wolfgang Thierse, Markus Meckel, Jürgen Fuchs, Rainer Eppelmann. Alle Morde tragen trotz unterschiedlichster Todesarten – vom Erstechen mittels einer Klarinette über das Erschießen mit einer Hotzenplotzpistole bis zum Ertränken in Sulfrin-Schampoo – die gleiche Handschrift: Die Opfer werden allesamt sorgsam barbiert aufgefunden. Im weiteren Verlauf der Handlung werden dann auch noch Angela Marquardt, Inge Meysel, Gregor Gysi, die Wildecker Herzbuben und Innenminister Kanther in den Sog der Handlung gezogen. (Mehr wird hier nicht verraten.)

Mit Ärger bei manchem Betroffenen war zu rechnen. Schließlich leben wir in einer Republik, in der die verfolgende Unschuld immer noch viel größeren Kredit genießt als die satirische Zertrümmerungskunst. Dank einiger Gerichtsentscheide der letzten Zeit (siehe Kasten) ist Ehrpusseligkeit auf dem besten Wege, auch finanziell zu einer äußerst lukrativen Haltung zu werden. Aber auch ein vorgewarnter Beobachter konnte nicht ahnen, was Lengsfeld und Weiß während unserer nur zum Schein privaten Debatte in petto hielten.

Wie oft ich auch die Ironiesignale des Textes, die redaktionelle Plazierung auf einer Satireseite, die deutlichen Genremerkmale ins Feld führte, immer wieder wurde mir vorgehalten, die taz gebe mit dem strittigen Text „literarische Anleitungen zum Mord an Andersdenkenden“. Erst als Vera Lengsfeld den bereits ventilierten Boykottaufruf hervorzauberte, in dem diese Anschuldigung in den Kontext des deutschen Judenmordes gestellt wird, wurde mir der Sinn dieses Gespräches klar: So hatte ich mich zuletzt als Schüler gefühlt, der wegen schlechten Betragens ins Rektoratszimmer einbestellt worden war.

Auf den Satz „Ich will, daß das aufhört“ folgte also der Hinweis auf „meinen sehr guten Anwalt“ und schließlich die aufrichtige Bitte, diesen Auftritt nicht als Erpressung mißzuverstehen. Als Redakteur einer Zeitung, die sich mit abenteuerlichen Sparmaßnahmen und einer auf die Sympathie der Leserschaft spekulierenden Bettelkampagne über den Herbst zu retten versucht, hat man da zunächst einmal nicht viel entgegenzusetzen.

Zwei Abgeordneten jener Partei gegenüberzusitzen, die nicht zu wählen mir bislang trotz allem Ungenügen unmöglich war, und diese Abgeordneten mich im Namen des Antifaschismus mit dem Verlust meiner Existenz bedrohen zu hören – dies werde ich unter der Rubrik „Interessante biographische Schlüsselerfahrungen“ mit mir selber abzumachen haben.

Den Faschismusvorwurf, mit dem man die taz zu treffen gedenkt, halte ich für ein solches intellektuell-moralisches Armutszeugnis, daß er an die Öffentlichkeit gehört, ob uns dies nun schadet oder nicht. Man muß kein Überlebender der Lager und kein Kind von Überlebenden sein, um solche Verunglimpfung des Andenkens der Ermordeten obszön zu finden. Aus dem Faschismusvorwurf kleine Münze zu machen – Konrad Weiß fühlte sich an den Stürmer und den Film „Der ewige Jude“ erinnert – das ist moralisch illegitim und politisch fatal: Womöglich werden wir einen substantiellen Faschismusbegriff noch gut brauchen können.

Vera Lengsfeld sollte das eigentlich wissen. 1987 hat diese mutige Frau – eine Ungeheuerlichkeit in der DDR – einen Verleumdungsprozeß geführt, weil ihre Mahnwachen vor der Zionskirche vom FDJ-Organ Junge Welt mit Aktionen von „faschistischen Schlägern“ gleichgesetzt worden waren.

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