: Das ist (k)eine vorgezogene Spitzenkandidatur
■ GAL-Doppelpack: Sager will Machtwechsel, Radcke „die Ökologie wiederbeleben“
„Wenn die Grünen sich zu sehr an neoliberalen Zielen festbeißen, haben wir unsere besten Tage bald hinter uns“, stieß die designierte Parteisprecherin des linken GAL-Flügels Antje Radcke gestern erst einmal eine Warnung aus. Zusammen mit der Realo-Kandidatin und Hamburger GALionsfigur Krista Sager stellte sie sich im Rathaus-nahen „Brauhaus“ den Medien vor.
Am 24. August soll das ungleiche Paar in einer Hamburger Premiere zur Parteispitze gewählt werden. Mit den neu geschaffenen beiden Sprecherposten wolle die GAL „die Sichtbarkeit der Partei gegenüber der Fraktion stärken“, so Sager.
„Ich kandidiere für dieses Amt, weil ich nach Hamburg zurück wollte“, bestreitet Sager ein „Junktim“ zwischen ihrer Bewerbung als Hamburger Parteichefin und einer „vorgezogenen Spitzenkandidatur“ für den Bürgerschaftswahlkampf 1997. Eine Selbsternennung würde sich die Parteibasis auch kaum gefallen lassen, zumal der linke Flügel Antje Radcke als Konkurrenz zu Sager aufbauen wollte und sie schon seit Monaten zu jeder erdenklichen Podiumsdiskussion schickt. Nun will Radcke davon gar nichts gewußt haben: „Ich wollte nie Spitzenkandidatin werden.“ Daß Krista Sager die GAL in den Bürgerschaftswahlkampf führt, könne sie sich durchaus und grundsätzlich vorstellen.
Sager selbst sieht ihre Aufgabe – wie auch schon in Bonn – im Zusammenhalten der Flügel. „Die Vielfalt in unserer Partei ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können“, so die hauptberufliche Integrations-Artistin. Der kommende Wahlkampf stünde im Zeichen des Machtwechsels: Das Experiment Statt Partei sei gescheitert, die CDU „auf den Hund gekommen“, und die Unbeweglichkeit der SPD „liegt wie Mehltau über der Stadt“. Es komme ihr vor, als ob „die Zeit stehengeblieben ist“. Selbst um den Wachtelkönig würde noch immer gestritten.
Die Parteilinke Radcke aus Hamburg Nord sieht indes die GAL am „Scheideweg“; sie stehe „für eine Politik der Solidarität“ und nicht für „Mainstream“, der nur noch versuche, „das Schlimmste zu verhindern“. Die GAL müsse den „Kontakt zu Initiativen“ und „die Ökologie wiederbeleben“.
„Ich habe nicht die Angst, daß wir zu einer Öko-FDP werden“, hielt Sager dagegen. Doch wenn viele Parteimitglieder diesen Eindruck hätten, müßten diese Befürchtungen ernst genommen werden. Vor allem die Kommunikation zwischen Parteifachleuten und der Basis gelte es zu verbessern.
Ob der Hamburger-Rundschau-Chef Jo Müller, der im Realo-Kungelkreis gegen Krista Sager angetreten war, noch immer mit dem Amt des Schatzmeisters „abgefunden“ werden soll, blieb unklar. Müllers eitle Selbstdarstellung in der Presse – die GAL wolle ein Drittel der Senatorenposten – sei jedenfalls „reichlich überzogen“ und eine „Einzelmeinung“ gewesen, so Sager. Silke Mertins
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