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Ort der blühenden Liebe

■ Hamburg und das schönste Gefühl in einer Anthologie bei Rotbuch

Wer Hamburger Autoren in einer Themen-Anthologie vereinigen will, hat keine große Wahl: Krimi ist zwar angesagt, seine Schriftsteller-Repräsentanten sind trotzdem gezählt. Lyrik schreiben fast alle, aber kaum einer will's lesen. Bleibt noch die Stadt Hamburg, die jedoch als thematisches Kurzgeschichten-Bindeglied nicht genug hergibt. Womit wir nach kurzem Überlegen schon bei der Liebe wären: Liebe in Hamburg kennen nicht nur alle hiesigen Autoren, die meisten von ihnen schreiben auch gern darüber.

Im Gespräch bestätigt Michael Koglin, Herausgeber der Erzählungssammlung Hamburg total verliebt, solche praktischen Überlegungen: „Es gibt offensichtlich ein Riesenbedürfnis nach Liebesgeschichten und Kitschromanen, das auch renommierte Autoren gern bedienen!“

Und obwohl die Liebe im Prinzip nicht von Orten abhänge, habe sie es in Hamburg wahrscheinlich leichter als zum Beispiel in Frankfurt. Weshalb allein offen bleibt, warum vor dem 41jährigen Hamburger Schriftsteller, Drehbuchautoren und Journalisten Koglin niemand ein ähnliches Projekt realisiert hat.

Um ein möglichst umfassendes Bild des Hamburger Literaturschaffens zu zeichnen, hat Koglin „große Namen wie frische Talente“ zu seinem „verliebten Stadtführer“ eingeladen. Möglichst viele „Dimensionen von Liebe und Verliebtsein“ wollte er, dessen Lieblings-Liebesgeschichte Dshamilja von Tschingis Aitmatow ist, in seinem Buch berücksichtigt wissen. Einzige Vorgaben waren „identifizierbare Schauplätze“ und bloß keine allzu persönlichen „Befindlichkeitssachen“.

Mit je rund zehn Seiten, die sich gut vorm Schlafengehen weglesen, sind neben dem Herausgeber 15 Autoren an dem Buch beteiligt, von Annemarie Stoltenberg über Reimer Eilers und Fanny Müller bis zu Yoko Tawada. Ihre Geschichten spielen in St. Pauli, Planten un Blomen oder Nienstedten, sind mal verträumt oder kitschig, mal knallhart realistisch, schwul, hetero, platonisch. Gemeinsam tanzen sie den verliebten Reigen eines auch qualitativ sehr bunt gemischten Haufens.

So folgt auf den schwermütigen Einstieg „Die Zeit drängt“ von Ingvar Ambjoernsen – wo aus einem One-Night-Stand die hoffnungslose Liebe zu einer Todgeweihten wird – die brüllend komische und skurrile Geschichte „Der Pelztierjäger“ von Gunter Gerlach. Als trauriger Jäger und aggressiver Umweltaktivist getarnt erweichen zwei Freunde hier hanseatische Frauenherzen. Besonders herzlich verabschiedet Dietmar Bittrich die Leser am Ausgang des Buches mit der Geschichte von der Großmutter, die als Edelnutte eine Affäre mit dem König von Dänemark hat.

Na klar, so ein Buch spricht ein breites Publikum an und läßt sich gut verschenken: von und an Menschen, die in Hamburg ineinander verliebt sind, zum 15. Geburtstag der „besten Freundin“, als Entschuldigungs-Bekräftigung, als Wink mit dem Jägerzaun an eine neue Bekanntschaft. Doch wen Popularität und Literatur-Marketing skeptisch machen, den schaut Hamburg total verliebt mit ganz unschuldigem rosa Buchumschlag an und sagt: Ich will dir doch nur eine kleine Freude bereiten! Die kostet schließlich auch in diesem Fall nicht mehr als ein Rosenstrauß.

Nele-Marie Brüdgam

Michael Koglin (Hrsg.): „Hamburg total verliebt“, Rotbuch Verlag, Hamburg 1996, 178 Seiten, 24,80 Mark

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