piwik no script img

Holland verdient Millionen an Steuerflüchtlingen

■ Schreinemakers ist nicht allein: Sie kann prominente Steuerschieber einladen

Amsterdam (taz) – Wenn Margarethe Schreinemakers am Donnerstag in „Schreinemakers Live“ ihre Steueraffäre zum Thema macht, könnte sie Prominente einladen. Etwa ihre Nachbarin Steffi Graf: „Living Camera“, Produzent von „Schreinemakers Live“, sitzt keine fünf Minuten von der von Vater Graf aufgebauten Firma „Sunpark“. Reinhard Fendrich hatte einen Steuervermeidungsbetrieb um die Ecke. Mick Jagger käme auch als Studiogast am 22. August in Frage: In der Herengracht 566 haben die Rolling Stones ein Finanzkombinat mit zehn Firmen aufgebaut. Auch Boris Becker wäre passend, war er doch mal bei der Amsterdamer Firma „Tivi“ angestellt, einer Namenskombination aus Tiriac und Vilas.

Alle diese Leute treffen sich nie abends im Café oder im Concertgebouw. Denn ihre Firmen sind reine Finanzverwaltungsbetriebe, geführt von niederländischen oder deutschen Vermögensexperten. Der Steuerhöchstsatz liegt zwar bei 68 Prozent, und rund 100.000 Niederländer sollen sich deshalb in den vergangenen Jahren nach Belgien abgesetzt haben, da es dort keine Vermögensbelastung gibt. Doch zahlen bis zu 3.000 Millionäre in den Niederlanden mit diversen Tricks überhaupt keine Steuern mehr.

Rund 7.000 Firmen, die für Schreinemakers & Co in den Niederlanden Finanzen abwickeln, hat Holland in den vergangenen Jahren angezogen. 68 Milliarden Gulden lassen die Stars im Jahresdurchschnitt in die Niederlande überweisen. Im Finanzamt in Rotterdam gibt es daher eigens ein sogenanntes Ruling Team, das sich um die steuerflüchtende Prominenz kümmert. Die Telefonnummer kennt jeder Steuerberater.

Wenn ein Star seinen Namen für Werbezwecke verkaufen will, kann er ihn an eine Firma abtreten – oder er gründet eine und verkauft den Namen an sich selbst. An eine solche Firma mit Sitz in den Niederlanden und Mutter auf den Niederländischen Antillen werden die Gebühren für die Verwendung des Namens überwiesen. Die Graf- Firma „Sunpark“ hat dies ebenso betrieben wie die Schreinemakers- Firma „Living Camera“.

„Living Camera“ hat einen Vertrag mit Sat. 1 über die Produktion der Sendung „Schreinemakers Live“ geschlossen. Sat. 1 überweist pro Sendung eine Million Mark, die Moderatorin erhält vom Sender 60.000 Mark, weitere 50.000 Mark von „Living Camera“ an den belgischen Wohnsitz und an ihren deutschen Arbeitsort. „Living Camera“ beauftragt dann den Kölner Subunternehmer Telemaus, die Sendung zu produzieren. Telemaus bekommt schätzungsweise 600.000 Mark für die Sendung, die Moderatorin noch mal 110.000 Mark. Zusammen also 710.000 Mark, und somit bleibt eine Summe von 290.000 Mark unklar.

Wahrscheinlich hat „Living Camera“ von Margarethe Schreinemakers das Recht erworben, mit ihrem Nachnamen eine Sendung zu produzieren. Aus ihrem Honorar und den Produktionskosten ergibt sich eine Summe, die von der einen Million Mark von Sat. 1 abzuziehen wären und die Gebühr für die Verwendung des Namens sein könnte. Dieses Geld kann „Living Camera“ – in Absprache mit dem Ruling Team im Finanzamt – auf den Antillen verschwinden lassen. Von dieser Summe bekommt der niederländische Fiskus meist eine Abzugssumme von etwa 7 Prozent. Auf den Antillen muß dann noch eine Gebühr von 1 bis 3 Prozent gezahlt werden. Schreinemakers holt sich das Geld von dort zurück.

In den Niederlanden bleiben aus solchen Geschäften rund 760 Millionen Gulden jährlich hängen, 486 Millionen fließen in die Staatskasse und 274 Millionen in die Taschen von bis zu 10.000 Vermögensverwaltern, Steuerberatern und Anwälten. Auf den Antillen nimmt der Fiskus noch mal 100 Millionen Gulden ein. Falk Madeja

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen