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Hinter den Kulissen der Dortmunder Haustiere

■ „Borussia live“ ist die erste bundesweite Illustrierte, die ein Fußballverein herausgibt

Manch Fußballbesessener steht heute vor einem Dilemma: Einerseits gehört es zum Wesen seiner Leidenschaft, allerlei objektiv relevante Details aufzusaugen und sie für lange Zeit im Gedächtnis abzulagern, um gegebenenfalls Gleichgesinnte mit dem derart angehäuften Wissen beeindrucken zu können. Andererseits ist er einem derartigen Dauerfeuer von obskuren bis aberwitzigen Informationen und Nichtinformationen ausgesetzt, daß die fantypische Fakten- und Anekdotenhuberei mittlerweile ihren Reiz verloren hat.

Dennoch gibt es Medienarbeiter, die Informationslücken entdecken. „Ich glaube nicht, daß wir zu einer Reizüberflutung beitragen. Wir berichten darüber, welche Haustiere die Spieler haben und wohin sie in Urlaub fahren“, sagt Dr. Nina Rolf. „Wir wollen also das bringen, was andere Printmedien und das Fernsehen nicht liefern: den Blick hinter die Kulissen.“ Hach, ein Blick hinter die Kulissen – das ist mal was Neues.

Dr. Nina Rolf ist die Chefredakteurin von Borussia live, der ersten von einem Fußballverein herausgegebenen Illustrierten, die bundesweit erhältlich ist; zum Saisonbeginn hat der Deutsche Meister aus Dortmund, unterstützt vom Bauer-Verlag, 100.000 Exemplare an die Kioske karren lassen. Auch ein BVB-Fan, der an der dänischen Grenze lebt und deshalb bisher von der Fußballwelt abgeschnitten war, ist jetzt endlich auf dem laufenden. Falls er 4,50 Mark übrig hat. Er erfährt, daß der Geradeausläufer Martin „Ich meine, daß man langfristig mit Ehrlichkeit am besten fährt“ Kree Ulrich Wickerts Schwarte „Der Ehrliche ist der Dumme“ gut findet, daß der Mannschaftsbus der Borussia 12.763 Kubikzentimeter Hubraum hat und daß Gabriele Riedle am liebsten Spaghetti vongole und gegrillte Seezunge ißt.

Schnüffelt die Firmenzeitschrift etwa im Privatleben der Spieler herum? I wo! „Es öffnet ja nicht jeder seine Haus-, geschweige denn Schlafzimmertür“, weiß Dr. Nina Rolf, eine Ex-Werberin. „Aber eher für uns als für die Boulevardpresse, denn wir sitzen ja, platt gesagt, an der Quelle.“

Das Editorial der ersten Ausgabe von Borussia Live verspricht viel. „Liebe Leser, neue Saison, neue Ziele, neuer Einsatz. Dazu Borussias ,Neue‘, Ballkünstler für erneute Erfolge. Auswärts und auf dem heiligen, neuen Rasen, vor der Kulisse der – neuen Tribünen des Westfalenstadions“, steht da gleich am Anfang, und da ist man natürlich gespannt, ob die Redakteure einen Stil durchzuhalten bereit sind, der sich nicht um sprachliche Konventionen schert.

Die übrigen 93 Seiten – inklusive eines beigehefteten Fanartikelkatalogs, in dem unter anderem ein „BVB Schlückchen Wodka- Blutorange“ für zwei Mark feilgeboten wird – entpuppen sich dann aber leider nur als uninspirierte Mixtur aus Gala, Titanic und Pop/ Rocky. Die bewährten Elemente des Vereins- und Firmenzeitschriftenjournalismus dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Als unterhaltsamer Autor erweist sich Eddi Boekamp, der Trainer der Dortmunder Amateurmannschaft. Er weiß Erstaunliches von einer Reise zu berichten, die er zusammen mit Ibrahim Tanko aus Ghana unternommen hat: „Als wir in der Hauptstadt Accra... aus dem klimatisierten Flugzeug stiegen, traf es mich wie ein Keulenschlag: afrikanische Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit... Unsere Fahrt war anstrengend, heiß, staubig – aber interessant.“ Darauf einen Wodka-Blutorange! René Martens

Borussia Dortmund (Hg.): Borussia live. 96 Seiten, 4,50 Mark

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