Großes Vertrauen in große Gefühle

■ Das wunderliche Trio Tulip - die singende Tulpe gibt der Romantik zahlreiche Namen

Ein Gesang schraubt sich von unten herauf in alle Richtungen. Taumelig und leger windet sich die Stimme von Holger Steen dorthin, wo das Leben sein wahres Gesicht zeigt und wo sich Größe um Nahbarkeit bemüht. Wenn der Raum, den Steen aus seinem Hals heraus anfüllt, einen Titel erhalten sollte, müßte so etwas wie „angeschlagene Dimensionen“ her. Darunter ist es bei Tulip - die singende Tulpe, die am kommenden Sonntag im K-Club auftreten, nicht zu machen.

Jedenfalls solange wie die Gruppe weiter gewillt ist, Romantik viele Namen zu geben und im Interview mit der taz hamburg „kein Mißtrauen gegenüber großen Gefühlen“ zu hegen. Während Steen singend die Seelen von verschollenen Kap-Hoorn-Umseglern anruft, spielt das andere musikalische Herz und Hirn bei Tulip, Gregor Hartz, auf nett bis gemein getunten Synthesizern streng zuckerige Opern, Popeye-Melodien und Wave-Stümpfe.

Wer Tulip bei einem ihrer Konzerte erlebt hat, fragt sich, wie es möglich war, daß mitten unter uns etwas entsteht, bei dem gleich zwei Dinge sicher sind. Zum einen wäre keiner vorher darauf gekommen und zum anderen kommen auch die beiden nicht ohne die singende Tulpe und ihren Schlagzeuger Axel Jansen aus.

Einigen ist das auf Anhieb zu viel. Gereizt greifen einige selbsternannte Lieblingsfeinde zu Papier und Bleistift, um recht persönlich etwas mitzuteilen, was die Musik betreffen soll. Den Kitsch-Verdacht jedoch wehrt Steen ab. DennTulip sind Idealisten, die zur Musik gekommen sind wie das Spielkind zur Philosophie.

Wahrscheinlich ist es der vorgeschobene Einer-flog-über-das- Kuckucksnest-Gestus von Tulip, der Konzertveranstalter in Rage bringt und jetzt schon ab und zu Fans hervorbringt, die nicht ihr Leben für die Band gäben, sondern dafür, daß wenigstens eines ihrer Konzerte ausfällt. Die Musik dieser Gruppe hilft auf diese Weise, zwischen den Kopflosen und den Anderen zu unterscheiden. Die mit dem großen Herz und wahrscheinlich einem ebensolchem Plan stehen auf der Bühne, haben sehr lebendige Augen und wissen bis in die Haarspitzen, wer vor der Bühne steht. Es sei denn, die notwendige Aufmerksamkeit für das Funktionieren der manchmal aufwendigen Kostümierungen nimmt die Mitglieder zu sehr in Anspruch.

Wahrscheinlich handelt es sich bei Tulip um die einzige Gruppe, welcher umspannende Freundlichkeit als Angeberei ausgelegt wird. Und während vor der Bühne der eine oder andere sich entsprechend in die eine oder andere von Brecht definierte Todsünde des Kleinbürgers mit Elan reinschmeißt, stehen Tulip auf der Bühne ihr Trio.

Kristof Schreuf

So, 1. September, 22 Uhr, K- Club, Erichstraße 11