: Treueschwur mit Ansage
■ Nach dem 0:3 gegen Bremen ist beim FC St. Pauli der Katzenjammer groß. Eine Frage blieb bislang unbeantwortet: Wer ist an der ganzen Misere schuld?
Der Ruf kam von irgendwo aus der Gegengerade. „Uli, noch drei Spiele, dann ist aus!“, brüllte ein St.-Pauli-Fan Richtung FC-Übungsleiter Maslo. Nun wird auf den Stehtraversen direkt hinter der Trainerbank viel geredet, und insofern dürfte sich der Angesprochene inzwischen daran gewöhnt haben, auch einmal weniger Nettes oder kaum Substantielles von dort zu vernehmen. Weghören können hat der 58jährige in seinen gut zwei Spielzeiten am Millerntor gelernt.
Doch diesmal war es mit seiner Contenance nicht weit her, das dicke Fell zeigte Risse. Maslo drehte sich kurz vom Spielfeld weg, suchte – natürlich vergeblich – den Defätisten in der Menge und winkte nach einigen Momenten kollektiv ab. Nicht ganz eindeutig jedoch war, was die Reaktion, zu der sich der älteste Bundesliga-Trainer hatte hinreißen lassen, bedeuten sollte. „Haltet 's Maul“? „Mehr Nievau“? Oder vielleicht doch schon ein wenig resignativ „Habt Erbarmen, lange bin ich eh nicht mehr hier“?
So eine Interpretation würde sich Maslo natürlich verbitten, und darauf verweisen, daß die Saison noch lang sei und er in seiner Laufbahn schon ganz andere Durststrecken überstanden hätte. Andererseits machte der strenge Fußballehrer nach dem 0:3 gegen Werder Bremen nicht unbedingt den Eindruck, als ob er wirklich noch guter Hoffnung ist. „Dieser Tag ist sehr bitter für uns“, sagte der Geknickte, und man mochte beinahe glauben, daß das, was die Mopo erst kürzlich berichtet hatte, zutreffend ist. „Eigentlich müßte ich meine Koffer packen und nach Hause fahren“, soll Maslo gesagt haben.
Verstehen könnte man es fast, denn viel zu lachen hat Maslo dieser Tage nicht. Daran änderte auch nichts die versuchte Rückendeckung durch den Präsidenten. „Ich bin mit der Trainerarbeit eindeutig zufrieden“, wollte sich Heinz Weisener nach der Bremer Trachtprügel demonstrativ vor seinen Untergebenen stellen, den er unter der Woche noch zusammengefaltet hatte („vereinsschädigendes Verhalten“). Ein untauglicher Versuch, weil Treueschwur mit Ansage. Es fehlte nur der Satz „Das Präsidium steht voll hinter dem Trainer“ – immer noch das sicherste Indiz, daß einer kurz vor dem Rauswurf steht.
Besonders großen Rückhalt jedenfalls hat Maslo nicht. Und seitdem Siege ausbleiben und es Gegentore hagelt – elf in den letzten drei Punktspielen –, befindet sich der Trainer in Argumentationsnöten. Ein Schuldiger muß her, das ist in einer Krise immer so, einer, der die Misere zu verantworten hat und den Kopf schlußendlich hinhalten muß. Maslo will das verständlicherweise nicht sein. Wer sonst?
Präsident Weisener mag nicht und weist jeden Verdacht von sich, er sei bei Neu-Verpflichtungen zu zögerlich und deshalb irgendwie negativ involviert. Wer bekommt dann den Schwarzen Peter? Jürgen Wähling? Spielt nicht mehr mit. Die verletzten Leistungsträger? Denen kann man kaum ihre Malaisen vorwerfen, oder will einer Dirk Dammann dafür schelten, daß er in der Badewanne ausgerutscht ist?
Bleiben nicht mehr viele als potentieller Sündenbock übrig. Uli Maslo steht das Wasser bis zum Hals, obwohl er auf dem Trockenen sitzt. Notfalls sind halt die Umstände schuld, die alte Leier, Pech, das System, kein Geld, Sie wissen schon. Nun ja, wer drei gesunde Kicker nicht einsetzt, weil sie einem anno Tobak mal blöd gekommen sind, wird auch nicht ewig psalmodieren können, daß mehr Spieler her müßten, um den Kader aufzupeppen. Und wenn die Maladen wieder genesen sind und dennoch nichts besser wird?
Was tun? Fans abstimmen lassen, wer der Buhmann ist? Finger hoch? Oder gleich das Maul aufreißen? Ist wohl praktischer, denn nach dem nächsten Debakel schreien wahrscheinlich schon ein paar mehr – nach Uli. C. Gerlach
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