Chronik der Hamburger Lokalderbys: Das lange Warten auf den Sieg
■ Schlechte Bilanz: Letzter St.-Pauli-Erfolg gegen den HSV liegt fast 20 Jahre zurück
Von insgesamt 123 innerstädtischen Duellen entschied der HSV 83 für sich, der FC St. Pauli begnügte sich mit 23. In den bisherigen zehn Bundesliga-Derbies konnte der HSV fünfmal gewinnen, viermal spielte man unentschieden und einmal siegte St. Pauli.
Der bislang einzige Erfolg gelang gleich im ersten Aufeinandertreffen in der Saison 1977/78. Der HSV trat als frischgebackener Europacup-Sieger arrogant auf und verlor 0:2. Im Rückspiel hatten sich die sportlichen Verhältnisse normalisiert: Der HSV gewann 3:2. St. Pauli stieg ab.
Das nächste offizielle Match fand in der Saison 1987/88 im DFB-Pokal statt. Zweitligist St. Pauli hatte keine Chance gegen den HSV und verlor glatt mit 0:6.
Nach St. Paulis erneutem Aufstieg wurde 1988 eine Einnahmeteilung für beide Spiele vereinbart. Der HSV hatte eine echte Konkurrenz bekommen: Nach dem Ausgleichstreffer für St. Pauli durch Jan Kocian zum 1:1-Endstand jubelte die Mehrheit der Zuschauer. Im zweiten Match unterlag St. Pauli mit 1:2. Damals gab es auch die ersten größeren Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Fangruppen.
In der Saison 1989/90 wurde zweimal 0:0 gespielt. Die Schlagzeilen gehörten anderen: Nach dem Schlußpfiff des Hinspiels versuchten etwa 200 HSV-Hooligans die Ostkurve des Volksparkstadions zu stürmen, nachts ging die Randale auf dem Kiez und auf dem Rathausmarkt weiter. Im Rückspiel sorgte die Polizei dafür, daß die Fangruppen beim Hin- und Rückweg getrennt blieben. Dennoch gab es beim après match wieder Schlägereien mit 40 Festnahmen und einigen Verletzten.
Für die Saison 1990/91 wurde keine Einnahmeteilung mehr vereinbart. Das Hinspiel gewann der HSV mit 2:0. Während der HSV in höhere Tabellenregionen vorstieß, ging St. Paulis Weg nach unten. Vor dem Rückspiel gab es zum ersten Mal eine Veranstaltung mit Vertretern beider Vereine. Für die Pauli-Fans wurden ein Busverkehr zwischen Heiligengeistfeld und Ostkurve des Volksparkstadions eingerichtet und Sonderzüge bereitgestellt. Auf dem Rasen wurde der FC regelrecht vorgeführt und mit 5:0 aus dem Stadion gefegt. Ein schlechtes Omen: Am Ende hatte sich Pauli aus der ersten Liga relegiert.
Beim letzten Freundschaftsspiel der beiden Clubs, 1992 im Wilhelm-Koch-Stadion, randalierten HSV-Hooligans derart, daß der FC St. Pauli beschloß, nie wieder am Millerntor gegen den HSV zu spielen.
In der Saison 1995/96 – St. Pauli hatte nach vier Zweitligajahren abermals das Fußball-Oberhaus geentert – gewann der HSV vor fast 55 000 Zuschauern mit 1:0. Die als Favorit auf den Platz marschierte HSV-Elf und ihr neuer Übungsleiter Felix Magath benötigten freilich einen zweifelhaften Foulelfmeter, den Harald Spörl verwandelte. Vor diesem Prestige-Duell waren trotz Bedenken auf beiden Seiten erstmals die Fangruppen beider Vereine miteinander ins Gespräch gekommen. Das Rückspiel im Mai 1996 endete 1:1. Für St. Pauli war es einer von vielen kleinen Schritten, die zum Klassenerhalt führten, der HSV erreichte später die Teilnahme im UEFA-Cup.
Erol Caner/Sönke Mones
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