■ Standpunkt: Ohne Ausgleich läuft nix
Polierte Marmorfußböden, aufwendige Dekorationen – Arbeiten im Einzelhandel bedeutet manchmal Arbeiten in einem edlen Ambiente. Das Arbeitsumfeld von VerkäuferInnen ist natürlich ganz unterschiedlich. Bezahlung und Arbeitszeit aber sind für fast alle gleich. Mit 3.173 Mark brutto für Vollzeitbeschäftigte liegen die Verdienste am Ende der Einkommensskala. Und: Im Einzelhandel arbeiten zu 75 Prozent Frauen, meist Teilzeit.
Ab dem 1. November 1996 stehen Arbeitszeiten bis 20 Uhr an. Daraus ergeben sich folgenschwere Konsequenzen für die Beschäftigten – gerade für Frauen. Die Kinder aus der Kita zu holen, die um 17 Uhr schließt, mit ihnen Schularbeiten zu machen, all das wird viel schwieriger. Wie sollen künftig die Arbeitsbedingungen der Angestellten im Einzelhandel aussehen, die von Arbeitgebern und Gewerkschaften oder Betriebsräten geregelt werden müssen? Wie kann man in Zukunft die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten?
Mittelfristig wollen die Unternehmer flexible Arbeitszeiten einführen. Dabei geht es nicht etwa darum, den Beschäftigten, Freiräume einzuräumen, damit sie ihre Arbeits- und Freizeit souverän gestalten können. Dahinter steckt ein anderes Kalkül: Damit die Kosten nicht steigen, wollen die Unternehmer den Personaleinsatz stärker an die Kundenfrequenz anpassen. Doch Ladenöffnungszeiten von 62 Stunden pro Woche müssen erst mal abgedeckt werden. Es ist zu befürchten, daß dabei die Interessen der Beschäftigten auf der Strecke bleiben. Auch VerkäuferInnen müssen weiterhin am Vereinsleben, an Weiterbildungsmaßnahmen, am Kulturleben teilnehmen können. Wer bis 20 Uhr im Dienst ist, hat dazu kaum Gelegenheit. Freizeit in den Morgenstunden kann das nicht ersetzen. Deshalb setzen Gewerkschaften und Betriebsräte auf Tarifverträge. Für Arbeit ab 18.30 Uhr, samstags ab 14 Uhr müssen Zuschläge wie in Bayern, Rheinland-Pfalz und im Saarland vereinbart werden. Bestimmte Beschäftigungsgruppen, z.B. Alleinerziehende, müssen von Abendarbeit freigestellt werden können. Nur mit solchen Tarifverträgen können Betriebsräte gegen schlechtere und familienfeindliche Arbeitsbedingungen im Einzelhandel vorgehen. Werner Preissner/Hans-Jürgen Ebert
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