■ Vorschlag: „Waldis Rache“ – die Münchner Schwestern der Gnade im Unart
Etwas Wohnzimmeratmosphäre mit Wir-verkleiden-uns-Spielen, ein bißchen oberbayerisches Laienspielambiente, eine Portion Frivolität und viel Frechheit – das sind die Zutaten zum kabarettistischen Cocktail, den die Münchner Schwestern der Gnade, Ingrid und Astrid Heilmaier, ganz ungeniert derzeit in Berlin servieren. „Waldis Rache“ heißt ihr Programm im Unart. Bitterernst und zuckersüß wird dabei die Weltlage aus bajuwarischer Perspektive gesichtet. Die Verbesserungsvorschläge für den Hunger in China und das allgemeine Unglücklichsein, das Kruzifix-Muß und das Sozial- Sparpaket, die Rentenfrage und die Langeweile des Sonntags sind unorthodox. Am Ende ist der Hund verspeist, die Oma ausgestopft, die Kuh im Kuhhimmel und das Lachen im Hals stecken geblieben.
Mehr aus Zufall sind die Schwestern, die schon in der Band Garstiges Federvieh zusammen spielten, in der Kleinkunst gelandet. Nachdem sie letztes Jahr mit ihrem boshaften Lied „Waldis Rache“ den Ernst-Bader-Preis für Schlager gewonnen hatten, wurden sie für ein abendfüllendes Programm engagiert, das es noch gar nicht gab. Zwei Monate später allerdings hatten sie eins. Sogar ein zweisprachiges. Bayerisch für die Bayern. Hochdeutsch für den Rest. Hinter dem vordergründigen Dilettantismus steckt mehr. Ingrid, die Jüngere der beiden, hat Klavier und Gesang studiert, Astrid eignete sich das Gitarrespielen aus Begeisterung für die Punkmusik an. „Ich habe mir die Leute nach den Auftritten von der Bühne runtergeholt und gesagt: ,Hey, zeig mir mal, was du da grad gespielt hast!'“ Das macht auch den Unterschied aus: Dem Augensex der Jüngeren erliegt das Publikum, die Ältere besticht durch tapfer stampfende Herzhaftigkeit. Zusammen passen sie deshalb, weil sie so viel Humor mitbringen, daß sie auch über sich selbst lachen können.
Der freche Charme dient als roter Faden des Programms. Nicht alles harmoniert, aber was macht es? Den Kabarettistinnen zu entkommen ist schon deshalb nicht einfach, weil auch sie sich dem Publikum nicht entziehen. Es gibt keine richtigen Mitmachspiele, aber allein das Gerede davon erzeugt adrenalinhaltige Unruhe. Nicht für die Künstlerinnen allerdings. Die sind froh, daß sie für ihre Verrücktheiten endlich den richtigen Platz gefunden haben. „Du wirst im Alltag normaler, wenn das Schräge auf die Bühne gepackt wird.“ Die gezähmte Punkerin grüßt. Waltraud Schwab
Bis 22.9., 20.30 Uhr, im Unart, Oranienstraße 163, Kreuzberg
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