: Die Baumarktbeilage. Heute: „Vergrößern“ Von Fritz Eckenga
Guten Tag. Mein Name ist Peter- Hans Kaltenbecher. Als Leiter einer führenden Filiale einer namhaften Baumarktkette im westlichen Westfalen, also östliches Ruhrgebiet, was aufs selbe rauskommt, möchte ich sozusagen einmal aus professioneller Perspektive eine Stellung beziehen zum Problem der eigenhändigen Vergrößerung von kleinen Wohnungen, die man nicht vergößern kann, weil's gar nicht geht, und wie's dann trotzdem klappt.
Was soll ich dazu sagen? Ich muß es ja wissen, wird doch mein Geschäft zu einem nicht geringen Hauptteil von einer Kundschaft heimgesucht, die in zu kleinen Behausungen ihr Zuhause hat und deswegen von mir die Tips und Kniffe gesagt gekriegt haben will, wie sie aus ihren paar Quadratmetern das Möglichste rausholt, so daß im optimalsten Fall am Ende der Fahnenstange jeder, der zu Besuch kommt, und am besten sogar der Besitzer selbst, überzeugt ist: „Pooch – ist das groß hier!“
Jetzt muß man natürlich wissen, daß einer Vergrößerung einer zu kleinen Wohnung gesetzmäßig Grenzen gesetzt sind. Zum Beispiel ist es utopisch zu glauben, man könne aus einem, sagen wir mal: 2-Zimmer-Küche-Diele-Bad- Kabuff mit 38 Quadrat mal eben, zack, das Doppelte machen, ohne daß es einer spitzkriegt. Sie können es ja mal probieren. Wagen Sie doch mal den Durchbruch. Einfach den Vorschlaghammer oder die Flex in die Wohnzimmerabschlußwand semmeln und dann kucken, was passiert. Ich sag' es Ihnen aus Erfahrung: In zehn von zehn Fällen stehen Sie einem nervenzerissenen Nachbarn gegenüber, und zwar haargenau in dem sein Wohnzimmer, was Ihnen nicht gehört. Mit anderen Worten: So geht's nicht!
Und deswegen rate ich Ihnen: Greifen Sie zu einer optischen Täuschung. Es gibt so schöne Möglichkeiten, sich sozusagen zu verarschen, wenn man selber dabei ist. Sie wissen es als Vollschlanker ja von ihren Anziehsachen: Längsgestreift macht schlank – quer macht dick. Wenn Sie also einem gedrungenen Zimmer zu einer hochaufgeschossenen Räumlichkeit verhelfen wollen, kleben Sie horizontal gestreifte Tapeten an die Wand. Ein Zebradesign zum Beispiel gibt hervorragende Effekte. Oder wenn Sie dem bedrückenden Gefühl verfallen, daß Ihnen in Ihrem Karnickelstall die niedrige Decke auf den Kopf fällt: Arbeiten Sie mit Hell-Dunkel-Kontrast. Pechschwarze Wände und strahlendweiße Decke erzeugen die Vermutung kilometerweiter Höhe.
Und wenn Sie dann vielleicht noch eine künstlerische Ader Ihr eigen nennen und ein bißchen Mut erübrigen, versuchen Sie sich mal in perspektivischer Malerei. Ich sage es Ihnen: Sie können sich gar nicht vorstellen, was ein klitzekleines Zimmerchen für eine Dimension entwickelt, wenn Sie auf die Wand, wo sie am öftesten draufkucken, also da, wo der Fernseher vorsteht, wenn Sie auf diese Wand eine prächtige Allee mit Pappeln malen oder, noch besser sogar, die Start- und Landebahn eines Großflughafens. Diese unermeßliche Tiefe und Weite wird Ihnen über die Beengtheit Ihres begrenzten Daseins hinweghelfen. Das Material dafür gibt's bei mir. Ja sicher kostet das auch was. Aber auf gar keinen Fall soviel wie eine entsprechende Wohnung zum Beispiel an der Startbahn 1 des Flughafens Düsseldorf. Immer für Sie da!
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