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Stirb und Werde

■ Anatol Ugorski spielte

Aus dem Nichts der jäh untergehenden Sowjetunion erschien Anatol Ugorski vor Jahren auf dem Markt des nie aufgehenden Kapitalismus. Und war für eine Überraschung immer gut.

Beethovens große Hammerklaviersonate op. 106 begann er am Montag abend mit mächtigen Eröffnungsschlägen überraschend paukenhaft, ließ das Hauptthema lyrisch kontrastieren und waltete auch sonst recht beethovengemäß. Dem Scherzo fehlte – ugorskigemäß – dann wieder Energie und Pointierung. In der kostbaren Ewigkeitet des Adagio mehr Stirb als Werde im nie ankommenden Verstummen. Das finale Allegro ging unresolut, unscharf die Fuge, pastos statt linear-gewirrt der Feuersturm des Kontrapunkts. Was da groß klang und modern, war Beethoven selbst. Trotz Ugorski.

Das luzide Geklimper der Skriabin-Sonaten Nr. 2 und 4 kam dessen Neigungen mehr entgegen: Farben statt Linien, Zögern statt Stürmen; Musik, die so verging.

Danach in Brahms' brillanten Händel-Variationen wieder genuschelte Triller, phlegmatische Scherzi, verschlafene Fanfaren. Und schöne Triolen, finstere Mollverdunkelungen, weiche Legato-Chromatik. In der Fuge am Ende kein Drängen und Gipfeln, kein Jubeln und Orgeln. Nur Brahms-Diät.

Die Überraschung war die Zugabe. Die Klavierbearbeitung für die linke Hand von Bachs Violin-Chaconne spielte Ugorski, als kenne er keine Probleme mit polyphonen Strukturen. Plötzlich hatten alle Stimmen Luft, alles atmete und entwickelte sich, ohne anderes zu überlagern, einfach und klar. Standing ovations. Der Künstler selbst schien überrascht.

Stefan Siegert

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