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■ KommentarMutiges Urteil

Das Hamburger Landgericht hat eine folgerichtige und mutige Entscheidung gefällt. Günter Parche durfte den Saal als freier Mann verlassen. Das Schöffengericht verhängte gegen den Mann, der vor zwei Jahren Monica Seles mit einem Messer verletzt hatte, eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.

Für die ehemals weltbeste Tennisspielerin, die dem Prozeß fernblieb, sich aber in einem Brief an das Gericht „Gerechtigkeit“ gewünscht hatte, dürfte das Urteil schwer nachvollziehbar sein. Hat der Angeklagte ihr doch derart zugesetzt, daß sie bis heute nicht wieder spielen kann.

Das geringe Strafmaß ist dennoch folgerichtig. Auch in der Berufungsinstanz tauchten keine wesentlichen Aspekte, welche die These der Seles-Anwälte stützten, Parche habe die Rivalin seiner angebeteten Stefanie Graf zu töten versucht. Vielmehr wurde das Attentat des Thüringers als gefährliche Körperverletzung gewertet.

Das Urteil ist mutig, weil ein erheblicher öffentlicher Druck auf der Kleinen Strafkammer lastete. Die Seles-Fans wollten den Dreher aus Thüringen so hart als möglich bestraft sehen, Reporter aus aller Welt boxten im Gerichtssaal um die beste Perspektive auf den vermeintlichen Fanatiker.

Vor diesem Hintergrund war es schwer, sachlich und unvorbelastet an die Strafsache heranzugehen. Die Vorsitzende Richterin Gertraut Göring hat ihre Linie, den Angeklagten nicht anders zu behandeln als jeden anderen Beschuldigten, bis zum Ende beibehalten.

Als der letzte Scheinwerfer erloschen war, konnte Günter Parche gehen.

Und das ist gut so.

Lisa Schönemann

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