■ Soundcheck I: Time Tunnel Rave
Gehört: Time Tunnel Rave. Hinter dem Berliner Tor, dort wo sich industrielle Brachlandschaften formieren, schwenkten am Freitag mächtige Lichtkegel durch den Abendhimmel. Ein großer Teil derer, die einen Namen im teutonischen Techno tragen, hatte in eine schmucklose Fabrikhalle geladen. Und 3000 folgten dem Ruf: Pickelfaces mit Straßenarbeiterjacken standen erwartungsfroh beim Red Bull oder anderen Drinks der Generation nach Fanta. Weiße Handschuhe, Sweater nach dem Schnittmuster von Captain Picards Uniform und Hot Pants für die Mädels dominierten die Vorstadt-Normalos.
Die erhaben kreisenden Strahler und der hymnische Techno erinnerten zunächst unangenehm an Siegerehrungen bei gigantomanischen Sportveranstaltungen. Durch die Verwendung von gepinselten Obertönen setzte sich DJ Dick aber pointiert vom martialischen Sound seiner Vorgänger ab. Gelassen spulte er sein routiniertes Set ab. Magnetic Pulstar, der erste Live-Act des Abends, deutete dann mit einem strengen Auftritt an, daß es ihnen um die Pausen zwischen den Rhythmusschichten geht. Immer länger zögerten sie elliptisch den Moment der kollektiven Ekstase heraus. Allein, warum riefen sie mit jedem Liedlein die „New Generation“ aus?
Dessen ungeachtet nahm Westbam die Sache mit einem sphärischen Intro in die Hand und versöhnte die vorhergehenden Konzepte. In perlende Obertöne und subsonische Bässe speiste er einen dichten Klangteppich ein, der gar housige Pianos integrierte. Vergessen waren seine grauseligen Chartbreaker. Hart, aber herzlich setzte er Maßstäbe, an denen sich die nachfolgenden DJs, wie die umjubelte Marusha, vergeblich messen werden. Doch der eigentliche Star des Abends war der Laser. Mit den in die Halle fliehenden Dreiecken kreierte er Wände und Lichtkegel, von denen einzelne Tänzer geborgen umschlossen wurden. Manchmal schien auch die Musik nur aus grünem Licht zu bestehen.
Volker Marquardt/Foto: JMS
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