: Gewerbe ohne Schein
Der illegale Flohmarkt in Ottensen beschert der Polizei und dem Altonaer Ordnungsamt „eine Sisyphosarbeit“ ■ Von Judith Weber
Roland hat bislang Glück gehabt. Ihn haben die Polizisten und die Mitarbeiter des Ordnungsamtes noch nie beim illegalen Handeln erwischt. Und das, obwohl Roland seit zehn Jahren „auf die heiße“, also ohne Reisegewerbeschein, Bücher und Schallplatten in der Ottenser Hauptstraße und im Fußgängertunnel am Altonaer Bahnhof feilbietet.
Hauptsächlich am Wochenende und am frühen Abend breiten deutsche und ausländische HändlerInnen hier ihre Ware aus: Lederjacken, gebrauchte Schuhe und Stoffe wechseln den Besitzer; ein Mann verkauft Sonnenbrillen, eine Frau afrikanischen Schmuck. „Was kostet das Buch?“ wendet sich eine Passantin an Roland. Die Antwort löst Empörung aus. „Zwanzig Mark? Das ist zuviel. Für zehn nehme ich's.“ Roland schüttelt den Kopf. Zwölf Mark bezahlt die Frau letztlich für den Schmöker.
Wenn ein Polizist den Handel beobachtet hätte, käme Roland das teuer zu stehen. Um den illegalen Flohmarkt einzudämmen, kassieren Polizei und Ordnungsamt Bußgeld von den Händlern und beschlagnahmen deren Ware. 150 Mark müßte Roland dann zahlen, um seine Platten wiederzubekommen. Wer legal verkaufen will, braucht außer einem Reisegewerbeschein auch eine Genehmigung dafür, „den öffentlichen Weg über seinen Gemeingebrauch hinaus zu nutzen“, wie es offiziell heißt – eine Erlaubnis, die das Ordnungsamt bestenfalls für den Weihnachtsmarkt erteilt.
Denn der illegale Flohmarkt soll weg. „Wir stehen unter enormem Druck. Viele Geschäftsleute und Passanten beschweren sich bei uns“, sagt Bernd Peters, der Leiter des Altonaer Ordnungsamtes. Erstere fürchten die Konkurrenz, letzere fühlen sich genötigt oder belästigt. „Teilweise war der Tunnel durch die Stände so verengt, daß man kaum durchgehen konnte“, berichtet Peters. Die Händler vermuten den Grund für ihre Unbeliebtheit woanders: „Hier so5zll alles edler werden, und wir passen da nicht mehr hin.“ Warum sonst hätte die Behörde den Markt geduldet, bevor das neue Mercado-Gebäude gebaut wurde?
Ein- bis zweimal wöchentlich kontrollieren Ordnungsbeamte und Polizisten den Tunnel, in der Hoffnung, den Händlern ihr Geschäft zu verleiden. „In der Woche gibt es so gut wie keinen Flohmarkt mehr“, glaubt Peters an den Erfolg seiner Arbeit. Problematischer seien die Wochenenden, wenn die Beamten sich um die Ordnung am Fischmarkt und am Volksparkstadion kümmern müßten. Und meist, räumt Peters ein, stehen die Verkäufer, die an einem Tag Bußgeld bezahlen, am nächsten wieder im Fußgängertunnel: „Das ist eine Sisyphos-Arbeit.“
„Nach 16 Uhr kann man jeden Tag hier arbeiten“, weiß Roland aus Erfahrung. Dann haben die Ordnungsbeamten Feierabend und kontrollieren nicht mehr. Bis zu 500 Mark täglich verdient der 35jährige am Platten- und Bücherverkauf. Dafür steht er sich nicht nur die Beine in den Bauch, sondern muß sich auch mit den anderen Händlern um die besten Standplätze streiten. „Daß wir hier alle eine große Familie sind, ist ein Vorurteil“, weiß Roland. Der Neid und die Konkurrenz unter den Anbietern seien groß. Im Kampf um überdachte Plätze „stehen manche schon morgens um drei auf und sichern sich einen Stand. Da sind auch mal Prügeleien drin.“
Trotzdem, den KundInnen gefällt's: „Das ist fast schon ein Hobby von mir, hier auf dem Flohmarkt einzukaufen“, schwärmt eine Passantin. Reden könne sie mit den Verkäufern hier viel besser als im Laden, und billiger sei es außerdem. Wie lange noch, dürfte davon abhängen, ob Händler oder Behörden sich als hartnäckiger erweisen.
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