: Ahnen aus Holz zwingen
■ Ein faszinierende Ausstellung über die Asmat zum GEO-Geburtstag
Eigentlich sind im Verlagsgebäude Tote zu Gast: Hätten die Schnitzfiguren aus Neuguinea noch ihre rituelle Kraft, würden sie in den Glas- und Stahlpalast von Gruner + Jahr die Ahnen der Asmat herbeizwingen. Doch für das neusteinzeitliche Waldvolk sind die Objekte nach abgeschlossenen Kultgebrauch wertlos. Sie wurden früher einfach in den Sumpf entsorgt, auch wenn es Monate gedauert hatte, sie herzustellen.
Doch das Arztehepaar Gunter und Ursula Konrad haben seit 1971 zahlreiche Objekte gegen Eisenwerkzeug eingetauscht und durch ihre wiederholten Reisen in die südwestliche Küstenregion des indonesischen Teils der Insel die weltweit wichtigste Privatsammlung von Asmat-Kunst aufgebaut.
Foyerausstellungen in Firmensitzen sind oft eine lieblose Angelegenheit, aber was hier zum 20. Geburtstag der Zeitschrift GEO nach Hamburg geholt wurde, hat weltweit nur noch Konkurrenz im Metropolitan Museum in New York. Bis zu sieben Meter hohe Ahnenpfähle, über dreißig mannshohe Schilde und ein zwanzig Meter langes Männerhaus sind zu sehen.
Das Versammlungshaus „Yeu“ ist der wichtigste Bau in einem Dorf: Zweistöckig, bis zu sechs Meter hoch und bis hundert Meter lang, stellt es architektonisch den sozialen und kultischen Mittelpunkt der Gemeinschaft dar. Aus Weichholz und Palmstroh erbaut, wird es bei Baufälligkeit aufgegeben und dem natürlichen Kreislauf überlassen.
Die vom Berliner Völkerkundemuseum erarbeitete Ausstellung dokumentiert das Hauptverkehrsmittel im flußdurchzogenen Urwald, Einbäume mit reichverziertem Bugsteven und die großen Ahnenpfähle aus dem Holz einer Mangrovenart, deren breit abstehende Brettwurzel den Stelen weit herausragende Flügelformen ermöglicht, sowie dreißig Kilo schwere Masken aus Sagoblattfasern für das „je-ti“-Totenritual. Ein Glaskasten enthält etliche „Kawe“, Ahnenfiguren für das immer noch geheimnisvolle Kopfjagd-Ritual.
Männer und Frauen sind in insektendünnen Proportionen geschnitzt und oft in sexuell betonter oder hockender Stellung. Die Darstellungsart verweist auf die Gottesanbeterin, eine räuberische Fangheuschrecke. Sie ist das Symbolwesen der Kopfjagd, beißt sie doch teilweise noch während der Paarung dem Partner den Kopf ab.
Die Ausstellung ermöglicht einen seltenen Blick auf bemerkenswerte Kunst und gibt eine Ahnung von den komplizierten Ritualen der Asmat. Für das 80.000 Seelen umfassende Volk ist Holz weit mehr als ein meisterhaft beherrschter Werkstoff: Der Entstehungsmythos des Volkes besagt, daß ihre Urahnen aus Holz geschnitzt wurden.
Hajo Schiff Foyer des Gruner + Jahr Pressehauses, Am Baumwall 11, tägl., 10-18, Mi, 10-20 Uhr, bis 20. Oktober
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