■ Standbild: Hoppla, wir leben
„Die wirren Jahre: Besatzer und Besetzte“, Mittwoch, 21.45 Uhr, ARD
Christian Brückner, berühmter Synchronsprecher vor allem Robert DeNiros, hat sich längst zum Markenzeichen verselbständigt. Reportagen oder Dokumentarfilme, deren Off-Kommentar von Brückner gesprochen wird, wollen fast immer mehr sein als nur Momentaufnahmen. Brückner, zumindest klingt es so, verinnerlicht seine Texte; ihm gelingt mit leichten Nuancierungen, worüber sich Autoren nächtelang den Kopf zerbrechen. Im ersten Film der fünfteiligen ARD-Reihe „Die wirren Jahre“ schuf Brückner mit seinem kaum spürbaren ironischen Tonfall eine Atmosphäre der Leichtigkeit, die sich wohltuend von der oft zentnerschweren Geschichtslast der ZDF-Produktionen aus der Redaktion Guido F. Knopps abhob.
„Die wirren Jahre“ ist gewissermaßen die Fortsetzung der Berichte zum Thema „Fünfzig Jahre Kriegsende“. Die Nachkriegszeit: keine aufgeräumte Trümmerfröhlichkeit wie in Joseph Vilsmaiers Spielfilm „Rama Dama“, sondern sachliche Berichte über die Stimmung im Land – „Hoppla, wir leben noch“. Die Reihe versteht sich als „Psychogramm von Siegern und Besiegten, von Besatzern und Besetzten“ und läßt beide ausführlich zu Wort kommen. Diverse Filmarchive wurden gesichtet (manche erstmals) und eine Menge Zeitzeugen befragt.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, aber mehr auch nicht: „Die wirren Jahre“ unterscheidet sich kaum von all den anderen Rekonstruktionsversuchen. Archivmaterial und Zeugenaussagen werden überraschungsfrei brav aneinandermontiert. Hatten die Zeitzeugen damals eine Funktion, wird sie mitgeteilt; bei den meisten aber erfährt man erst aus dem Begleitmaterial, daß sie Psychologen oder Schriftsteller sind. Auch die dokumentarischen Bilder in diesem ersten Beitrag von Christian Klemke machten einen eher austauschbaren Eindruck. Die Konzeptionierung des Films brachte zudem mit sich, daß die verschiedenen Aspekte – Charakterisierung der vier Besatzungszonen, Entnazifizierung, Reparationsleistungen, Wiederaufbau – vergleichsweise oberflächlich behandelt wurden. Wirklich gelungen aber war die Auswahl der Zeitzeugen, deren mitunter humorvolle Schilderungen eine schöne Ergänzung zu Brückners Kommentarstil bildeten. Tilmann P. Gangloff
Die nächsten Folgen: 18., 23. und 24. Oktober
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