■ Oekolumne: König Kunde schlägt zurück Von K.-P. Klingelschmitt
Seit Wochen hält sich das Werk in den Bestsellerlisten für Sachbücher. Und unter den Wirtschaftstiteln ist es schon lange die Nummer eins: Oggers „König Kunde – angeschmiert und abserviert“. Um die provokante These von Deutschland als dem kundenunfreundlichsten Land der Welt einem objektiven Härtetest zu unterziehen, hat die Mitgliederzeitung der Metallarbeitgeber Aktiv kürzlich den japanischen Unternehmensberater Minoru Tominaga losgeschickt – quer durch das Land der sehr begrenzten Möglichkeiten. Sein Fazit: „Alle wollen verdienen, keiner will mehr dienen.“
Seit Tominagas ernüchternder Erlebnisbericht aus der Welt der Kaufhäuser und Supermärkte, der Gaststätten und sogenannten Dienstleistungsbetriebe veröffentlicht wurde, gehen in der Aktiv-Redaktion angeblich ganze Stapel von LeserInnenbriefen ein. Deren Tenor: „Herr Tominaga, es ist alles noch viel schlimmer.“ Und die Wirtschaftswoche haut in die gleiche Kerbe: „Unfreundliche Verkäufer, besetzte Telefone. Deutschland gilt als Servicewüste.“ Die Kundenunfreundlichkeit – ein klarer Standortnachteil.
Doch die deutschen KundInnen haben jetzt offenbar die Nasen gestrichen voll: von patzigen VerkäuferInnen an Fleisch- und Käsetheken, muffeligen KassiererInnen in Supermärkten, beratungsunwilligem Personal in Media- und Baumärkten, unverschämten Handwerkern und unfreundlichen Bedienungen in Restaurants. „Kein ,Guten Tag!‘ und kein Nix an der Käsetheke. Und als ich darauf bestand, meine gewünschten 200 Gramm Gouda zu bekommen statt der kommentarlos abgewogenen 300 Gramm, riß die Frau die überzähligen Scheiben vom Käsestapel, warf sie neben die Schneidemaschine und knallte mir anschließend mit einem giftigen ,Bitte schön!‘ meinen Käse auf die Theke“, berichtet etwa Sabine S., die drei Jahre lang in den USA gelebt hat. In den Staaten würde eine solche „Bedienung“ keine zwei Stunden hinter der Theke stehen: „Die wär ruckzuck achtkantig rausgeflogen.“ Fast jedeR hat schon ähnliches erlebt und sich geärgert. Kellner, die stumm die leergegessenen Teller abräumen und die sich nach dem Abkassieren – trotz stattlichem Trinkgeld – noch nicht einmal bedanken. VerkäuferInnen, die den nächsten Kunden mit einem unwirschen „Nächster!“ begrüßen. „BeraterInnen“ in Kaufhäusern, die ratsuchende KundInnen schlicht ignorieren. Alltag in Deutschland. „Man kommt sich in Warenhäusern und Supermärkten als lästiger Störenfried vor“, schrieb etwa Jürgen W. aus Krefeld an die Redaktion von Aktiv.
Opfer überall. Doch „wir“ können auch anders. Wer es sich zeitlich leisten kann, schlägt jetzt zurück: „Werde ich an der Kasse unfreundlich behandelt, lasse ich meinen vollen Einkaufswagen einfach stehen und gehe“, erklärt Volker R. aus Beckum seine Strategie. Und in Rüsselsheim verlangte eine Kundin in einer Apotheke ihr Rezept von einem extrem unfreundlichen Apotheker mit der Bemerkung wieder zurück, daß es in der Stadt schließlich noch mehr Apotheken gebe. Ich habe mit ihr den Laden verlassen.
Kleine Palastrevolution auch am vergangenen Wochenende in einem Supermarkt bei Wiesbaden, nachdem sich die Kassiererin geweigert hatte, von einer Kundin auch Kleingeld anzunehmen. „Frechheit!“ tönte es aus der Schlange. Und der Ruf nach dem Marktleiter wurde laut. Die Frau ließ die Ware unbezahlt auf dem Förderband liegen und ging. Und gleich zwei weitere Kunden verließen mit ihr den Laden: „Es gibt noch andere Supermärkte!“
„Servicehölle Deutschland“, schreibt die Wirtschaftswoche. Dabei gibt es auch in diesem Land Gegenbeispiele. Etwa in den Warenhäusern und Baumärkten der Firma Globus. Dort bekommt ein Kunde, der länger als zehn Minuten an der Kasse warten muß, diese Wartezeit mit fünf Mark vergütet. Und wem es in den Restaurants von Globus nicht geschmeckt hat, kriegt sein Geld zurück. „Nur zufriedene Kunden kommen auch wieder“, heißt dort die Philosophie.
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