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Bremer Fernsehen bald aus Berlin?

■ „Tele Bremen“-Eigentümer Holtzbrinck will wichtige Firmenteile an die Spree verlagern

Vor Zeiten sollte das Fernsehen in der Hansestadt so richtig groß einschlagen. Dank der Vergabe von Frequenzen an Privatsender erhofften sich die Verantwortlichen in Politik und Rathaus Produktionsaufträge für bremische FernsehmacherInnen. Millionen und Abermillionen sollten in die Dienstleistungswüste an der Weser fließen, und bald machte die Metapher von der „Medienstadt Bremen“ die Runde.

Doch ausgeträumt sind nun die kühnsten Träume. Denn das Firmenkonsortium „Telestudio Bremen“ sowie „Tele Bremen“, der einzige nennenswerte Auftragnehmer der Privatsender Sat.1, VOX, Pro 7 oder RTL, zieht's nach Berlin. Wie Tele-Bremen-Geschäftsführer Felix Schmidt gestern auf Anfrage bestätigte, soll nur noch ein Teil der Produktion vom Firmensitz an der Schlachte abgewickelt werden.

Nötig in diesem Sinne ist ein Knäuel von Vereinbarungen und Verträgen, nach denen die Sender Sat.1 und VOX überhaupt in Bremen ausgestrahlt werden dürfen. So machte die Landesmedienanstalt (LMA) bei der Vergabe der terrestrischen Frequenzen anno 1989 an Sat.1 und 1992 an VOX zur Auflage, daß beide Sender für insgesamt 2,5 Millionen Mark im Jahr in Bremen Fernsehen produzieren. Von Sat.1 wurde mit 1,5 Millionen Mark mehr verlangt als von der Kölner Konkurrenz. Außerdem sollte etwa fünf Sendeminuten am Tag aus der Hansestadt berichtet werden.

Weil RTL über eine Frequenz aus Niedersachsen in Bremen eingespielt wird, gelten diese Regelungen für den Publikumsliebling der PrivatguckerInnen nicht. Ein kleines Studio unterhält RTL hier gleichwohl und ist wegen einer Sendeerlaubnis in Bremerhaven zwar nicht zum Geldausgeben, aber immerhin zu etwa zwei täglichen Sendeminuten mit bremischen Themen verpflichtet.

Nach Angaben des LMA-Direktors Wolfgang Schneider hatten Sat.1 und VOX ihr Soll bald übererfüllt und übererfüllen es noch heute, so daß inzwischen keine genauen Aufstellungen mehr verlangt werden. „Wenn ich weiß, daß mehr Geld in Bremen ausgegeben wird, verlange ich keine genaue Abrechnung.“ Als Produzenten hauptverantwortlich dafür sind „Telestudio“ und „Tele Bremen“ mit bis zu 40 festen und freien MitarbeiterInnen, die seit dieser Woche zu 100 Prozent der „Audience Vision Entertainment“ (AVE) mit Sitz in München gehören.

Die wiederum zählt zu hundert Prozent zum Imperium der Verlagsgruppe Holtzbrinck. Und das Holtzbrinck-Management verfügte jetzt eine Zentralisierung der TV-Redaktionen in Berlin. Neben dem „Talk im Turm“ oder dem „Zeit-TV“ sollen fortan auch die Tele-Bremen-Produktionen im Auftrag von ZDF, Arte und anderen an der Spree hergestellt werden. Ausgenommen: die Aufträge in Sachen Sat.1 und VOX.

„Was Tele Bremen macht, kann mir egal sein“, sagt LMA-Chef Wolfgang Schneider und bestätigt, von der geplanten Teil-Verlegung Kenntnis zu haben. Er hätte sich schon an die beiden Sender gewandt und sie auf ihre Verpflichtungen hingewiesen - „ansonsten ist die Lizenz weg“.

Doch fraglich ist, ob diese Drohung heut' noch fruchtet. Zu Beginn der 90er Jahre war die Lizenz zu senden heiß begehrt: Ein Potential von zwei Millionen ZuschauerInnen lockte in der Hansestadt und war bei den zwölf bis 14 Millionen KabelzuseherInnen, die seinerzeit Sat.1 oder RTL einschalteten, eine mehr als nennenswerte Größe mit Folgen für Werbepreise und Spot-Umsätze.

Doch im gleichen Zeitraum ist nach Angaben eines Telekom-Sprechers allein in Bremen der Anteil der verkabelten Haushalte von 50 Prozent Ende 1990 auf rund 75 Prozent gestiegen. Hinzu kommen ungezählte BesitzerInnen von Satellitenschüsseln, die sich ebenfalls vom terrestrischen TV-Empfang abgekoppelt haben.

Mittelfristig, so die Einschätzung Felix Schmidts, werden die terrestrischen Frequenzen für die Sender uninteressant. Hinfällig wären dann alle Verträge mit Bremer Bezug.

Christoph Köster

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