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Moskauer Treiben

■ Ein Kunsthändler verschwindet: Adolf Winkelmanns Thriller "Der letzte Kurier" (Teil 1, So., 20.15 Uhr, ARD)

Mal ehrlich, kann sich irgendwer Sissi Perlinger als Mitwirkende in einem Thriller vorstellen? Ich meine, nicht mit irgendeiner komischen Nummer im Bildhintergrund, sondern als Hauptdarstellerin in einem Film, in dem es aber auch gar nichts zu lachen gibt? Nö?

Regisseur Adolf Winkelmann konnte. Drum heißt Sissi Perlinger jetzt 180 Minuten lang Vera Rohleder. Eine mondäne Galeristin, die eine aufgeweckte Tochter und ein nettes Zuhause hat, aber dann in eine ziemlich unappetitliche Geschichte hineingezogen wird. Eingebrockt hat ihr die ihr Ehemann, der als Kunsthändler öfter in Moskau zu tun hat. Doch nun soll er bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein, sagt der Mann von der russischen Botschaft. Doch bei der Identifizierung in Moskau überkommen Vera massive Zweifel, daß es sich bei dem übel zugerichteten Kadaver um ihren Gatten handelt.

Einer, der das auch nicht glaubt, hört auf den Namen Bubka (Sergej Garmasch) und ist Chefinspektor bei der Moskauer Polizei. Er hat Anhaltspunkte, daß der Kunsthändler noch quicklebendig ist und untertauchen mußte, weil er mit der Mafia krumme Geschäfte macht und obendrein in den bestialischen Mord an einer minderjährigen Prostituierten verwickelt ist. Aber irgendwie scheinen übergeordnete Stellen in Moskau keinerlei Interesse daran zu haben, daß Bubka den Mann findet. Und selbst das Düsseldorfer LKA scheint irgendwie seine Finger mit drin zu haben. Aber Vera will die Geschichte, die ihr dieser komische russische Polizist da erzählt, sowieso nicht glauben. Nur finden möchte sie ihren Mann natürlich auch...

Aus dieser Ausgangslage zaubert Winkelmann nach einem Drehbuch von Matthias Beelig („Der Bandmann“) seinen tadellosen Thriller. Mit überraschenden Wendungen und souveränem Timing im Wechsel von ruhigen und schier atemlosen Sequenzen hält der Zweiteiler die Spannung bis zur letzten Minute. Auch ein Verdienst von Kameramann David Blama, der mit virtuosen Bildern ein Moskau eingefangen (resp. inszeniert) hat, in dem man wirklich nicht Urlaub machen möchte. Auch die zweimonatigen Dreharbeiten in der russischen Metropole (unter anderem in den legendären Mosfilm-Studios) sollen ein Abenteuer für sich gewesen sein.

Sei's drum, der Aufwand hat sich gelohnt. Daß sich Vera und jener Bubka im Laufe ihrer Ermittlungen auch gefühlsmäßig schwer nahekommen, nun ja. Auf ein paar überlieferte Rezepte kann man halt kaum verzichten. Aber weil Adolf Winkelmann auch seinen Hitchcock kennt, kann er sich kurz vor dem Showdown den Scherz leisten, einen ahnungslosen Jungen mit einem höchst verdächtigen Paket durch die Stadt zu schicken. Und dann ist da schließlich auch noch Sissi Perlinger, die ihre Sache einfach wunderbar macht. Schließlich ist sie gelernte Schauspielerin. Wußte nur kaum einer. Winkelmann etwa? Wie er überhaupt auf seine Hauptdarstellerin gekommen ist? „Doch“, sagt Winkelmann, „ich habe die mal bei Bio gesehen, und da dachte ich mir ,Mensch, die wär' doch vielleicht was für die Rolle‘.“ So läuft das also. Reinhard Lüke

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