: Finstre Aussichten für den Nahost-Friedensprozeß
■ Verhandlungen stagnieren. Siedler verüben gewalttätige Provokationen. Palästinenser befürchten Übergriffe und Massaker. USA entsenden Vermittler
Tel Aviv (taz) – Die Anzeichen für ein erneutes Eingreifen der USA in den nahöstlichen Friedensprozeß mehren sich. Nach Angaben des israelischen Rundfunks wird US-Unterhändler Dennis Ross bereits heute wieder in Israel eintreffen. Er soll den Verhandlungen über einen israelischen Abzug aus Hebron neue Impulse geben. Die Gespräche sind seit einer Woche praktisch zum Stillstand gekommen. Allgemein wird in Israel erwartet, daß der US- Druck auf die israelische Regierung nach der erwarteten Wiederwahl Bill Clintons zunehmen wird.
Nach den Brandstiftungen von Siedlern in palästinensischen Häusern in Hebron, der Ankündigung von Infrastrukturminister Ariel Scharon, bei Ramallah neue Siedlungen zu bauen, sowie der fortdauernden Abriegelung der besetzten und autonomen palästinensischen Gebiete haben die Spannungen in der Region wieder zugenommen. Erstmals verbot Israel gestern auch Libanesen aus der israelisch besetzten Sicherheitszone im Libanon die Einreise zur Arbeit nach Israel.
Der Leiter der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Lawe, Khader Shkirat, warnte am Montag vor einem neuen Massaker der israelischen Siedler in Hebron und forderte die israelische Regierung auf, weiteres Blutvergießen zu verhindern. Shkirat sagte, die Siedler in Hebron seien seit der Machtergreifung Netanjahus wesentlich aggressiver geworden. Im Vergleich zur Zeit Rabins seien heute mehr arabische Häuser zerstört und mehr arabische Böden enteignet.
Der frühere Innenminister Haim Ramon erklärte, er fürchte, daß es gar keinen israelischen Teilrückzug aus Hebron geben werde. „Jüdische Radikale werden alles unternehmen, um den Abzug zu verhindern“, sagte er. Shkirat sowie das Mitglied des palästinensischen Parlaments, Haidar Abdel- Shafi, forderten die israelische Regierung auf, die Siedler aus Hebron zu entfernen oder sie wenigstens zu entwaffnen, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. In Hebron war am Montag ein palästinensisches Haus von Siedlern in Brand gesetzt worden und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Die 22 Mitglieder der Familie wurden obdachlos, fünf von ihnen erlitten zum Teil schwere Brandverletzungen.
Der Bürgermeister der benachbarten Stadt Halhul, Mohammed Milhelm, erklärte, die einzig richtige Lösung sei das Verschwinden der Siedler aus der palästinensischen Stadt. Die schwerbewaffneten Siedler haben wiederholt mit massiven Provokationen gedroht, um die Übergabe der Verwaltung an die Palästinenser zu vereiteln. Amos Wollin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen