piwik no script img

Jagd auf Hexe Bibi Blocksberg

■ Eine Ladenkette verbannt die nette Hexe aus „christlichen Gründen“ aus dem Programm, verkauft aber Kriegsspielzeug

Berlin (taz) – In einer Filiale von „Spiele Max“ in Berlin. Das übliche Ambiente: In Kreischrosa bietet die Abteilung für Mädchen Barbie-Einzelteile an, in Horrorschwarz und Kampflila marschieren Monster und Supermänner durch die Abteilung für Jungs. Schulter an Schulter: Action Man und Bat Man, Spider Man und Alien, das außerirdische Monster. Kistenweise stapelt sich Star Wars und allerlei zierliches Kriegsspielzeug: Lockheed-Düsenjäger, „Aufklärungsflugzeuge“, Panzerchen, Pistolen, Gewehre. Daneben plastikleichte Ritterrüstungen, Schwerter, Lanzen. Das achtteilige „Polizeiset“ umfaßt die obligatorische Knarre und supergriffige silbrige Handschellen. Also alles pädagogisch hochwertige Ware.

„Haben Sie vielleicht auch Kassetten von der Hexe Bibi Blocksberg?“ Seit der Berliner Karl Blatz die kleine freche Hexe vor 18 Jahren erfand, werden ihre Abenteuer auf Kassetten und Videofilmen in praktisch allen Spielwarenläden feilgeboten. Doch die junge Verkäuferin fängt an zu grienen und schüttelt den Kopf. „Eigentlich müßte ich Ihnen sagen, wir führen die aus ,betriebsinternen Gründen‘ nicht. Unsere Firmenleitung ist nämlich religiös.“ Wie bitte? „Sie sagt, Hexen seien mit christlichen Wertvorstellungen nicht vereinbar.“ Aber Knarren und Kanonen? „Na klar.“ Und die Ritterrüstungen? „Was wollen Sie denn, die sind für Kreuzzüge doch bestens geeignet.“

Der Chef von „Spiele Max“, so ist dem Magazin „Made in Berlin“ zu entnehmen, läßt Bibi Blocksberg inzwischen auch im Berliner Umland verfolgen. Wo immer Bibi auf ihrem Besen tanzt, sie wird aus seinen insgesamt 18 Filialen verjagt. Er lehne den Vertrieb des Hexenwerks „aus christlichen Gründen ab“, vertraute Firmenboß Wilfried Franz dem Magazin an. Für die taz war er nicht zu sprechen.

Der selbsternannte Verteidiger des christlichen Abendlandes zieht aber nicht nur gegen Bibi zu Felde. Firmenintern ebenfalls verboten, so plaudert seine Verkäuferin, seien Astro- oder auch Psychospiele wie „Das schwarze Auge“. Auch Ottfried Preußlers Kinderbuch „Die kleine Hexe“ gehöre auf die Giftliste.

Soviel Käuferfrust gehört getröstet. „Vielleicht mit dem Ratespiel ,Gott ist mit uns‘?“ fragt diabolisch grinsend die Verkäuferin. Ute Scheub

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen