„Es geht nicht um Perfektion“

■ Die Portugiesin Angela Guerreiro über ihre Tanz-Performance Fade – A triptych of stolen stories, Genre-Vermischungen und starke Aussagen

„Es ist nicht meine Aufgabe, meine eigenen Stücke zu analysieren“, erklärt Angela Guerreiro im Gespräch mit der taz hamburg etwas brüsk. Damit mag sie zwar recht haben, macht es allerdings nicht gerade leicht, etwas über ihre Choreographie Fade – A triptych of stolen stories herauszufinden, mit der sie, gefördert von der Hamburger Kulturbehörde, ab heute auf Kampnagel auftritt. Wichtig sei ihr, sagt die seit 1994 in Hamburg ansässige Portugiesin, daß sich alle drei Tänzer in ihrer eigenen Körpersprache ausdrückten und mit genau diesem Ausdruck so lange experimentierten, bis das Publikum am Ende der Vorstellung das Gefühl habe, alle drei „kennengelernt zu haben“. Die Leute „sollen das Gefühl haben, etwas von uns zu fassen zu bekommen“.

Neben Guerreiro tanzen der Waliser Marc Rees, weniger Tänzer als „Performer“ und „visual artist“, und der Brasilianer Aloisio Alvaz, mit dem sich die 31jährige bereits in Lissabon und Hamburg zusammentat. In ihrer Dreier-Performance werden Stimme, Mimik, Gestik und Kostümierung so eingesetzt, daß klar wird: „Es geht nicht mehr um tänzerische Perfektion.“ Der Formalismus des herkömmlichen Tanzes versuche nur, die Ausdrucksformen zu limitieren, „aber der Körper und die Bewegungen sind nicht durch bestimmte Techniken einzuengen.“ Ihre eigene klassische Ausbildung hilft ihr zwar, ihren Körper „in Form“ zu halten, die Kontrolle zu bewahren – ansonsten aber hat sie mit der Marionettenhaftigkeit vorgegebener Choreographien gebrochen.

Ihre Zurückweisung gängiger und klassischer Tanz-Ästhetik sei natürlich auch Ausdruck einer Tanz-Krise. „Überall fragen sich Tänzer, ob Tanz allein überhaupt noch ausreicht, um imaginäre Situationen zu schaffen.“ Das sei insofern politisch, als daß man für neue Ausdrucksformen immer erst um Beachtung kämpfen müsse. „Wir haben ein Recht darauf, anerkannt und geschätzt zu werden, weil unsere Aussagen stark sind.“

Dazu setzen Guerreiro und die am Stück Beteiligten auf Interdisziplinarität und umfassende Kontrolle. Alle Künstlerinnen und Künstler „haben an allem mitgewirkt“ – Musik, Bühne, Licht und Kostüme sind aus einem Gruppenprozeß entstanden, „in dem jeder seinen eigenen Inspirationen nachgegangen ist“. Ein spezifisches Thema, weist Guerreiro jeden Ansatz, die Performance mit abstrakten Begriffen zu belegen, weit von sich, gibt es nicht – höchstens Fragmente, Augenblicke, Erinnerungen, Filmausschnitte vielleicht. Kleine gestohlene Geschichten, „stolen stories“, wie der Titel schon sagt.

Ulrike Winkelmann

Premiere: Do, 7. November, 20.30 Uhr, Kampnagel, k1