: „Es endlich legal tun“
■ Was sind eigentlich „Bildungspläne“? Schulbehörden-Fachmann erläutert Planungsstand / Diskussion im Elternverein Hamburg Von Kaija Kutter
Über die im neuen Schulgesetz vorgesehenen „Bildungspläne“ wurde bereits viel spekuliert. Sie lägen fertig in geheimen Behördenschubladen und würden nicht veröffentlicht. Sie würden Fächer ersetzen und egalisieren. Am Mittwoch stand beim „Elternverein Hamburg“ mit Uwe Heinrichs der Fachmann der Schulbehörde Rede und Antwort, der es wissen muß. Mit seinen 15 Mitarbeitern der „Abteilung Unterrichtsgestaltung“ soll er die Bildungspläne erarbeiten.
„Unser Erfahrungsschatz ist äußerst gering“, gestand er den Zuhörern – überwiegend Lehrer-Eltern – ein. Es gibt noch keine fertigen Pläne, der erste wird frühestens Ende '95 erstellt sein und dann auch nur die Grundschule betreffen. Bevor die Lehrpläne der rund 25 Fächer der fünf anderen Schulformen umgearbeitet sind, vergehen Jahre.
Aber es gibt grobe Vorstellungen, was kommt. Die Fächer als solche, beteuert Uwe Heinrichs, bleiben bestehen. „Es ist wichtig, einen vergleichbaren Bestand an Bildung zu sichern, damit nicht alles auseinanderdriftet.“ „Bildungspläne“ soll es für jede Schulstufe jeder Schulform geben. Sie werden „Rahmenpläne“ aller Fächer beinhalten, aber in abgespeckter Form. Heinrichs geht davon aus, daß deren Erfüllung rund zwei Drittel der Unterrichtszeit ausmachen wird.
Hinzu kommen „Aufgabengebiete“ wie Verkehrs-, Umwelt- und Sexualerziehung – die CDU hätte gern noch Rechtserziehung –, die in alle Fächer integriert werden. Nicht enthalten und künftig gesondert publiziert werden methodische Hinweise. Sie würden Bildungspläne – wie in Baden-Württemberg geschehen – zu telefonbuchdicken Wälzern ausweiten. Ebenfalls nicht festgelegt – und hier wird es spannend für die Eltern – sind die sogenannten „Lernbereiche“. Die Kombination von Fächern unter Themenschwerpunkten wie „Wasser“, „Unser Stadtteil“ oder einer geschichtlichen Epoche wie „Renaissance“ darf jede Schulkonferenz in ihrem künftigen „Schulprogramm“ selbst festlegen und sich damit ihr eigenes „Schulprofil“ geben. Voraussetzung dafür, so Heinrichs, ist eine flexiblere Stundentafel, die es beispielsweise erlaubt, in Klasse 9 die doppelte Zahl an Mathestunden pro Woche zu geben, weil es zum Lernbereich paßt.
Vereinzelt wird die Fächerbündelung bereits an Schulen praktiziert. Es wäre sehr wichtig, in Lernbereichen zu denken und diese Abweichung vom Stundenplan auch endlich „legal tun zu dürfen“, sagte die Walddörfer Schulleiterin Barbara Buchsteiner, die als Co-Referentin geladen war. Fachspezifische Borniertheiten müßten aufgehoben und statt dessen die Schlüsselprobleme der Gesellschaft zum Ausgangspunkt erhoben werden. So würden an ihrer Gesamtschule Fächer zum Lernbereich „Mensch, Natur und Umwelt“ oder „Zusammenleben gestern und heute“ gebündelt.
Relativ einig waren sich Publikum und Referenten über die Gefahren, die die Reform in sich birgt. Wie Qualität sichern und verhindern, daß Schulprofile so einseitig ausfallen, daß ein Wechsel nicht mehr möglich ist? In Holland und England sind nationale Leistungstests die Kehrseite der Medaille von mehr Autonomie.
Allerdings zeigten sich die Mitglieder der progressiven Elternvereinigung davon angetan, selbst in die Bresche zu springen. Bisher hätten Lehrer die Lehrpläne als Herrschaftswissen genutzt, sagte ein Schulleiter-Vater. Deshalb sei es gut, wenn jetzt Eltern und Schüler via Schulkonferenz daran beteiligt werden. Am besten auch auf Landesebene in einer Landesschulkonferenz. Er habe den Verdacht, die Politik sei mit der Überprüfung der Lehrinhalte überfordert und bürde dies deshalb den Eltern auf, mutmaßte ein anderer Schulleiter-Vater. In seinem Bezirk könnte er die dafür zuständige Schulaufsicht „vergessen“. Der Elternrat hätte aus der Not schon längst eine Tugend gemacht: Er bestelle in regelmäßigen Abständen die Fachlehrer zum ,Rapport'.
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