: Nachwachsendes Millionending
Die TreuHanf Investitionsgesellschaft treibt Risikokapital für den Aufbau einer Hanfwirtschaft auf. Heizkraftwerke, Fabriken und Erlebnistourismus sollen die Pflanze etablieren ■ Von Lars Klaaßen
In Deutschland ist die Revolution ausgebrochen“, verkündet Matthias Schillo. Die Revolution ist grün und heißt Hanf. Als Vorstandsmitglied im Bundesverband der Landschaftspflegeverbände, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen HanfGesellschaft und Geschäftsführer der TreuHanf Investitions GmbH & Co. KG hat der Jurist erheblich dazu beigetragen, daß Nutzhanf wieder auf hiesigen Feldern stehen darf.
Doch mit der Legalisierung allein ist für Schillo noch nicht viel getan: Er will die „eierlegende Wollmilchsau“ Cannabis wieder zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor machen. Das kostet allerdings erst einmal Geld. Um das Startkapital für die Hanfwirtschaft zusammenzubringen, gründete Schillo gemeinsam mit Mathias Bröckers (Gründer der HanfHaus-Kette) und dem Diplom- Volkswirt Roland Biniossek im Oktober 1994 die TreuHanf.
Bis Mai 1996 haben sich 27 Gesellschafter mit Kommanditanteilen zwischen 10.000 und 50.000 Mark an der TreuHanf beteiligt. Das Gesamtkapital beläuft sich derzeit auf 600.000 Mark, soll jedoch auf eine Million erhöht werden. Die Gesellschafter sind Ärzte, Lehrer, aber auch Bauern, die selbst Nutzhanf auf ihren Feldern angepflanzt haben. Eine Züricher Bank hat sich ebenfalls eingeschrieben.
Das Finanzierungskonzept orientiert sich an der Mittelbeschaffung für die Windkraft. Als GmbH garantiert die Treuhanf den Gesellschaftern finanzielle Sicherheit. Sie brauchen im Ernstfall nicht mit ihrem Privatkapital für Verluste geradezustehen. Verluste sind allerdings schon eingeplant: „Die Investitionen, die wir in diesem Jahr tätigen, werden nicht vor 1997 wiedereingefahren“, erläutert der Geschäftsführer. Da die TreuHanf auch eine Co. KG ist, können diese Verluste von der Steuer abgesetzt werden. Wenn der Laden richtig läuft und die Investitionen sich amortisiert haben, soll die TreuHanf in eine AG umgewandelt werden. Die Aktien werden Anfang 1997 ausgegeben. Über Aktien kann wesentlich mehr Kapital für weitere Unternehmungen aufgetrieben werden.
Die TreuHanf konzentriert sich auf zwei Projekte, die beide im Land Brandenburg geplant sind: Zum einen soll aus den Cannabis- Pflanzen, die in diesem Jahr in Deutschland angebaut werden, Energie gewonnen werden. In dezentralen Blockheizkraftwerken (BHKWs) wird der Hanf verbrannt. Dabei wird nur soviel Kohlendioxid freigesetzt, wie die Pflanze zuvor der Luft entnommen hat. „Da Brandenburg ein klassisches Hanfanbaugebiet ist und genügend geeignete Flächen vorhanden sind, können lange Transportwege vermieden werden“, hofft Schillo. „Zudem können die Gemeinden in den neuen Ländern aufgrund des vor dem Bundesverfassungsgericht geschlossenen Stromvergleiches leichter Stadtwerke gründen und so die Energieversorgung in eigene Hände nehmen.“ Obwohl es für die Kosten der Rohstoffbereitstellung noch keine Erfahrungswerte gibt, ist Schillo optimistisch, daß das Projekt sich finanziell rechnet: „Selbst wenn der Landwirt den Hanf kostenlos an das BHKW abgibt, kann er noch Gewinn machen.“ Die EU fördert den Anbau von Nutzhanf mit rund 1.500 Mark pro Hektar.
Darüber hinaus soll mit dem investierten Kapital ein HanfZentrum entstehen, in dem Textilien, Papier, Bauplatten, Kosmetika und Nahrungsmittel aus Hanf hergestellt werden. Auch Freizeit und Erholung sollen das HanfZentrum neben dem technischen Aufschluß der Pflanze tragen. Dem Hanfmann schwebt ein Ausflugsziel für Großstädter vor, das die Entwicklung des Cannabis vom Acker bis zum Endprodukt vorstellt.
Pünktlich zum Fall des Anbauverbotes hat die Gesellschaft 3,3 Tonnen Saatgut gekauft und mit rund 60 Landwirtschaftsbetrieben ein Vertragspaket abgeschlossen: Für 9 Mark pro Kilo wurde das Saatgut zur Verfügung gestellt. Außerdem wurden Abnahmeverträge zum Preis von 80 Mark pro Tonne für Hanfstroh ausgegeben. Bei einem Ertrag von 10 Tonnen pro Hektar stünden der TreuHanf also rund 600 Tonnen Hanfstroh zur Verfügung. „Bislang haben wir von den 60 Betrieben allerdings erst 20 Rückmeldungen erhalten“, so Schillo.
Eine preiswerte Fasergewinnung, hofft der TreuHanf-Geschäftsführer, könnte in einer neuartigen Biogasanlage erfolgen: Mit diesem Prinzip werden Energiegewinnung und Weiterverarbeitung der Pflanze miteinander verbunden. Die Anlage ist bisher nur mit Mais betrieben worden, doch die Umstellung auf Hanf, so Schillo, sei kein Problem. Er rechnet mit Kilowattstunden-Kosten von etwa 12 Pfennig. Bei herkömmlicher Stromerzeugung werden 18 bis 26 Pfennig pro Kilowattstunde berechnet. Nebenprodukt bei der Energiegewinnung sind die Pflanzenfasern. Sie müssen nicht mehr mit herkömmlichen Schwingen absorbiert werden. Das spart Geld und macht die Aufbereitung wieder konkurrenzfähig.
Sowohl die Kraftwerke als auch weiterverarbeitende Betriebe sollen als eigenständige Gesellschaften geführt werden, an denen sich die TreuHanf allerdings mit Stimmenmehrheit beteiligen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen