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Gerührt, nicht gerüttelt

■ Der Deutsche Bühnenverein denkt über das Sparen nach

Die Berliner Intendanten haben Anfang der Woche den Vorhang aufgezogen für einen neuen Akt im Sparschauspiel der Theater und Opern. Hemdsärmelig hatte August Everding, Präsident des deutschen Bühnenvereins, die Tarifkonferenz in der Staatsoper Unter den Linden angekündigt: „Jetzt müssen die Karten auf den Tisch.“ Müssen sie wohl wirklich: Der finanzielle Druck auf die Theaterhäuser der Hauptstadt wächst. Auch wenn in der letzten Knappsrunde im Oktober noch einmal alles glimpflich ausging – das böse Wort „Theaterschließung“ taucht zu häufig in den kulturpolitischen Diskussionen auf. Die künstlerisch und betriebswirtschaftlich Verantwortlichen können es sich nicht erlauben, sich in den gut gepolsterten Sesseln der Traditionskultur zurückzulehnen.

Das innerbetriebliche Sparen setzt bei den Tarifverträgen an. Die starren Bindungen der arbeitsrechtlichen Regelungen sind den Theaterleitern seit längerem ein Dorn im Auge. Nachdem im letzten Winter die Diskussion in Berlin hohe Wellen geschlagen hatte und gar die Rede ging von der Abkehr vom herkömmlichen Tarifsystem, setzen die Bühnen jetzt auf eine Reform in kleinen Schritten. Jürgen Schitthelm, Schaubühnendirektor und Vorsitzender des Berliner Bühnenvereins, sagte vor der Konferenz: „Wir wollen eine Bilanz ziehen, wie weit wir bisher in der Tarifdiskussion überhaupt gekommen sind. Dann geht es darum, an ganz konkreten Punkten zu überlegen, wo Verbesserungen vonstatten gehen können.“

Die Karten auf den Tisch zu legen hieß für die Mitglieder des Bühnenvereins also erst einmal, sich erneut über die altbekannten Problemzonen des Tarifrechts zu verständigen. Zunächst stellte man allerdings befriedigt fest, daß die vom Bühnenverein für das künstlerische Personal – die Schauspieler, Tänzer und Sänger – abgeschlossenen Tarifverträge große Freiräume ließen: An ihnen soll auch weiterhin nicht gerüttelt werden.

Statt dessen steht Detailarbeit an: Der Bühnenverein will mit der Deutschen Orchestervereinigung, der Musikergewerkschaft, darüber verhandeln, den Einsatz der Berliner Geiger und Trompeter in verschiedenen Orchestern einfacher – das heißt preiswerter – zu gestalten. Musiker, die an einem Haus nicht ausgelastet sind, werden an andere Opern- oder Konzertorchester verliehen. Diese Praxis hat sich bewährt, doch sind die Intendanten nicht länger gewillt, dafür „Aushilfsvergütungen“ an die Musiker zu zahlen.

Aus der Tarifkonferenz hervorgegangen ist eine Arbeitsgruppe, der Theatervertreter und Mitglieder der Senatsverwaltung angehören. Hier wird weiter am internen Sparkurs gefeilt. Lästige und teure Hausbräuche sollen genauso abgebaut werden wie bestimmte Zulagen. Außerdem will man für das technische Personal flexiblere Arbeitszeiten erreichen – ein Thema, das auch schon seit mehr als einem Jahr im Gespräch ist. Rolf Bolwin, Direktor des Deutschen Bühnenvereins, ist optimistisch, daß die Personalräte mitspielen: „Die Erfahrung zeigt doch, daß vernünftige Gespräche etwas bringen.“ Die Berliner Diskussion um betriebsbedingte Kündigungen hält Bolwin für überbewertet: „Die Theater haben zur Zeit zu wenig Arbeitskraft. Wenn wir flexibler arbeiten, kommt das den Bühnen zugute – entlassen wird deswegen niemand.“

Bei der ÖTV, die für das nichtkünstlerische Personal der Bühnen die Tarifverträge aushandelt, beäugt man die Dehnübungen am Theater jedoch mißtrauisch: „Wenn Arbeitgeber die Flexibilisierung von Arbeitszeit fordern, befürchten wir immer, daß damit die Arbeitskraft zum Teil überflüssig wird“, kommentiert ÖTV-Pressesprecher Ernst-Otto Kock. Ein Blick in andere Städte zeigt, was noch alles drin wäre im Sparpaket der Theater. So werden an kleineren Stadttheatern, vor allem in Ostdeutschland, seit einiger Zeit Haustarifverträge abgeschlossen, bei denen dann zum Beispiel das 13. Monatsgehalt fehlt. So weit will man es in Berlin nicht kommen lassen: Die Intendanten waren sich einig, die Theaterbeschäftigten nicht von der allgemeinen Gehaltsentwicklung abzukoppeln. Kolja Mensing

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