piwik no script img

Streit um Tarife und Waben

Die geplante Preiserhöhung der BVG zum neuen Jahr stößt auf Kritik. Die neue Tarifstruktur ist mit den Plänen für einen Tarifverbund mit Brandenburg kaum vereinbar  ■ Von Kathi Seefeld und Bernhard Pötter

Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) hat sich entschlossen. Er wird morgen im Aufsichtsrat den Vorschlägen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und ihrer acht Partner in der Verkehrsgemeinschaft Berlin-Brandenburg (VBB) für eine neue Tarifstruktur stimmen und damit Preiserhöhungen zustimmen. Weil der Senat der BVG für 1997 insgesamt 48,5 Millionen Mark weniger zahlt als die eigentlich im „Metropolenvertrag“ bis 1999 zugesicherten 960 Millionen, habe die BVG keine andere Wahl, hieß es. Sechsprozentige Tariferhöhungen bereits ab Frühjahr nächsten Jahres müßten den nötigen Ausgleich schaffen.

Doch die Preiserhöhung ist nicht die einzige Ursache für Ärger. Denn mit der neuen Struktur will die BVG in Berlin einen Tarif zwischen den Zonen A, B und C einführen (siehe Kasten). Dieses Modell aber ist mit den Plänen des Verkehrsverbundes von Berlin und Brandenburg für ein „Wabenmodell“ unvereinbar, monieren Kritiker.

Für die verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus, Käthe Zillbach, ist die Entscheidung der BVG ein Affront gegen den geplanten Verkehrsverbund. Offen seien schließlich nur noch Detailfragen wie der Sitz der Verbund-Verwaltung und die Kooperation mit den etwa 30 Verkehrsbetrieben. „Die geplante Tarifstruktur der BVG ist daher nicht nur unsinnig und ein Schlag gegen die Stammkunden der Verkehrsbetriebe, die zu 80 Prozent mit der Umweltkarte unterwegs sind – das Konzept läuft den Planungen zum Verkehrsverbund völlig zuwider“, meint Zillbach. Die BVG könne „mit Blick auf ihre Freizeitheime und Grundstücke“ Mittelkürzungen problemlos ausgleichen.

Der Verkehrsverbund mit Brandenburg wird am 1.1. 1997 gegründet. In ihm sind die Kommunen zusammengefaßt, die ab dem nächsten Jahr für den Nahverkehr zuständig sind. Doch wie genau der öffentliche Nahverkehr aussehen und zu welchen Tarifen er rollen soll, das weiß noch niemand. Konrad Lorenzen, der Chef der Gesellschaft zur Vorbereitung des Verkehrsverbundes Berlin/Brandenburg (VVG), hat ein Tarifmodell vorgeschlagen, das Brandenburg und Berlin in 38 große „Waben“ unterteilt, die wiederum in kleine Waben unterteilt sind. Der Vorteil der Regelung: Kommunen können ihren Nahverkehr kleinteilig an die Erfordernisse anpassen. Der Nachteil: Tarifwirrwar und Unvereinbarkeit mit dem Tarifzonensystem des größten Ballungsraums im Verbundgebiet: Berlin.

Der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer nennt diese Planungen denn auch „üble Beutelschneiderei“. Er hat in den Planungen über 1.500 Tarifwaben gezählt und fünf Tarifwaben allein für Berlin ausgemacht. Die geplante Tariferhöhung der BVG hält Cramer schlicht für eine Zumutung. Denn obwohl Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) noch am 14. November vor dem Parlament gesagt habe, es werde keine Tariferhöhungen geben, stimme sein Kollege Pieroth dem jetzt zu.

„Damit erhöht die BVG nach Oktober zum zweitenmal in einem Jahr die Preise“ – und zwar nicht zu knapp: Für die gleichen Leistungen, die ein Kunde heute für die 93 Mark auf seine Umweltkarte bekomme, werde er ab Januar 26 Mark mehr zahlen müssen.

„Wenn man alles zusammenrechnet, kommt man auf eine Tariferhöhung von 30 Prozent.“ Cramer gibt dem Senat die Schuld: Schließlich seien die Subventionen für die BVG von 1,6 Milliarden (1993) um mehr als ein Drittel auf 970 Millionen (1995) gekürzt worden. Wenn die BVG mehr Geld einnehmen wolle, solle sie unter anderem auf einen Ausbau der Busspuren setzen.

„Das geplante Ringzonenmodell der BVG ist nichts, was wir gutheißen können“, meint auch Eva Müller von der PDS. „Es bedeutet, daß Fahren mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln für viele Berlinerinnen und Berliner wieder teurer wird.“ Andererseits seien die enormen Zuschußkürzungen und der Abbau von 9.000 Arbeitskräften an der BVG nicht spurlos vorübergegangen. „Wer eigentlich versagt hat, das ist wieder einmal die Politik.“ Das gelte auch beim Verkehrsverbund, meint Müller, das geplante Wabentarifsystem sei zu wenig transparent.

Für Käthe Zillbach sind das alles geklärte Fragen, „Fakt ist, die Große Koalition und die Landesregierung Brandenburg haben sich zum gemeinsamen Verkehrsverbund bekannt. Senator Pieroths Verhalten kann man insofern nur als ignorant bezeichnen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen