Wenn ein Shampoo zur Droge wird

Berauscht ein mit Hanföl angemachter italienischer Tomatensalat die Sinne? Wohl kaum, aber die THC-Nachweise könnten bei Polizeikontrollen unangenehme Folgen haben. An der Universität Ulm wurden Hanfprodukte getestet  ■ Von Klaus Wittmann

An einem Tisch im Rechtsmedizinischen Institut der Universität Ulm sitzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Salatbuffet. Was wie eine gemütliche Mittagspause aussieht, ist ein strenger wissenschaftlicher Test. Denn die Tomaten mit Mozzarella sind nicht etwa mit Olivenöl angemacht, sondern mit Hanföl. Und genau dieses Hanföl hat es in sich. Erhältlich ist es in jedem Hanfladen.

Was die Wissenschaftler am Salatöl aus Hanfsamen so interessiert ist der Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol), das landläufig als Haschisch bekannte Rauschmittel. Denn genau dieses THC fanden die Rechtsmediziner in allen von ihnen untersuchten Hanfprodukten.

Geweckt wurde ihr Interesse freilich nicht durchs Salatöl, sondern zunächst durch ein Shampoo. Bei der Haaranalyse einer Frau wurde besagtes THC festgestellt. Die Dame nun gab an, sie würde sich seit längerer Zeit mit Pflegeprodukten auf Hanfbasis waschen. „Wir haben uns daraufhin der Sache analytisch genähert und gesagt, wenn das auf Hanfbasis ist, müßte man eigentlich diesen Hauptwirkstoff in allen Produkten nachweisen können“, erläutert der forensische Chemiker Andreas Alt. Es wurden also zunächst sechs Hanfprodukte aus dem Sortiment der Körperpflege untersucht. Alle mit dem gleichen Ergebnis: „Wir konnten überall diesen THC- Wirkstoff nachweisen.“ Es folgte eine Untersuchung mehrerer Lebensmittel auf Hanfbasis. Am meisten THC war nicht etwa im Müsliriegel mit dem bezeichnenden Namen „Cana-Biß“, sondern im Hanföl gefunden worden, wie sich bei der Urin- und Blutprobe mehrerer Teilnehmer am Salatbuffet zeigte.

„Wir waren sehr erstaunt, dann ein paar Stunden später schon im Blut THC nachweisen zu können. Und auch die Urinproben waren positiv“, berichtet Chemiker Alt. Nachdem mehrere Probanden 40 Milliliter Hanföl aufgenommen hatten, konnte auch drei Tage danach noch THC-Carbonsäure im Urin nachgewiesen werden. Es dauerte mehr als 80 Stunden bis die nachweisbare Menge unter den sogenannten Cut-off-Wert, den Empfindlichkeitsgrenzwert von 25 Nanogramm, fiel.

Mit den Tests wurde laut Dr. Alt bewiesen, „daß handelsgängiges Hanföl, in gebrauchsüblichen Mengen genossen, rauschmitteltypische Blut- und Urinbefunde auslösen kann.“ Die in Ulm gemessenen handelsüblichen Hanf-Speiseöle enthielten zwischen 7 und 151 Mikrogramm THC pro Milliliter Öl. Nimmt man das Öl mit dem höchsten THC-Wert, kann der Verbraucher demzufolge beim Genuß von 40 Milliliter Hanföl 6 Milligramm THC aufnehmen. Das wiederum entspricht 40 Prozent einer Haschisch-Konsumeinheit gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Zu beachten ist freilich eine weit geringere Resorption bei der Aufnahme durch den Magen als durchs Rauchen. Das heißt, daß beim Rauchen eines Joints viel höhere THC-Mengen ins Blut gelangen. „Das Abbauprodukt, das wir nachweisen können, unterscheidet sich nicht, ob sie nun vorher dieses spezielle Salatöl gegessen haben oder einen Joint geraucht haben“, erläutert Chemiker Alt.

Der „Joint im Salatöl“ als sichere Ausrede

Die Wissenschaftler der Uni Ulm kommen zu der Schlußfolgerung, daß im Fall einer Verkehrskontrolle Salatessen verhängnisvoll werden könnte. Selbst ohne die derzeit diskutierte Ergänzung des Paragraphen 24 des Straßenverkehrsgesetzes „kann THC-Positivität sehr unangenehme Folgen haben, wenn die zuständige Behörde die Auffassung vertritt, daß der Betroffene zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr charakterlich ungeeignet ist“, erläutert der Chef der Rechtsmedizin, Professor Günther Reinhardt.

„Vor zwei Monaten hatten wir eine Anfrage der Ulmer Kriminalpolizei. Da hatten wir in einer Urinprobe das Abbauprodukt THC nachgewiesen und gingen natürlich auch von einer vorangegangenen Aufnahme von Cannabis aus, und dann hat eben dieser Beschuldigte angegeben, er würde regelmäßig dieses Hanföl nehmen“, berichtet Andreas Alt. Eine billige Ausrede, wenn man nach einem Joint erwischt wird, oder ein neues Feld für Rechtsmediziner und -politiker? Was tun, wenn die Gesetzesergänzung des Paragraphen 24 (a) StVG (Straßenverkehrsgesetz) greift, die vorsieht, daß künftig ein positiver Drogenbefund im Blut strafrechtlich geahndet wird wie eine Alkoholfahrt mit 0,8 Promille und der Ertappte nur ein Salatfreak ist? „Wir sind gespannt, wie der Gesetzgeber reagiert. Wir haben jedenfalls einen Abzug unserer Studie ans Verkehrsministerium geschickt“, sagt Dr. Alt.

Eine rechtliche Grauzone habe sich da aufgetan, die den Politikern noch so manches Kopfzerbrechen bereiten dürfte, ergänzt der Leiter der Ulmer Rechtsmedizin, Günther Reinhardt.

Vorsicht im Urlaub: Riskantes Shampoo!

Probanden des Rechtsmedizinischen Instituts hatten sich zum Teil ein viertel Jahr lang die Haare mit Cannabis-Shampoo gewaschen. Die Forscher rätselten nun, als einer dieser Probanden eine Flugreise antreten wollte, ob er in einer entsprechenden Situation nicht möglicherweise in einen ganz falschen Verdacht geraten könnte. Kurzerhand bat man die Polizeidirektion Krumbach, einen Rauschgiftspürhund der Diensthundestaffel in Neu-Ulm für ein Trainingsprojekt zur Verfügung zu stellen. Es dauerte nicht lange, da hatte der Rauschgiftspürhund „Nando“ sämtliche versteckten Hanfprodukte gefunden. Der Rechtsmediziner Andreas Alt kennt inzwischen zahlreiche Hanfprodukte, seine Frau und er lesen regelmäßig die am Markt erhältlichen Hanfzeitschriften und der Chemiker weiß, daß die Fachwelt an seinen Arbeiten großes Interesse hat. Problematisch könnten die Ulmer Untersuchungen für die Hanfladenbesitzer werden und zwar im Zusammenhang mit dem Begriff der „nicht geringen Menge“.

Der Hanfhändler, ein ordinärer Drogendealer?

Der Besitz einer solchen „nicht geringen Menge“ im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, konkret sind das mehr als 7,5 Gramm THC, ist nämlich ganz erheblich strafbewehrt. „Wir haben also mal hochgerechnet anhand des THC-Gehalts im Hanföl, was passiert, wenn ein Händler mehr als fünfzig Liter von diesem Öl auf Lager hat. Dann würde er bereits diese 7,5 Gramm THC erreichen und müßte an sich strafrechtlich, unter Anführungszeichen, als Drogendealer gelten.“

Daß natürlich in der Praxis eine solche Auslegung nicht greifen kann, macht schon allein der Blick auf die Hanfbauern, beispielsweise in Schleswig-Holstein, deutlich, die ja dann alle als Dealer verknackt werden müßten. Es besteht also tatsächlich noch erheblicher rechtlicher Klärungsbedarf.