■ Die UNO gestattet dem Irak Ölverkäufe für Lebensmittel: Iraks Diktator kurz vor dem Ziel
Saddam Husseins Kalkül scheint aufzugehen. Als er im Sommer seine Truppen zusammen mit Peschmerga der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) in die kurdische „Hauptstadt“ Arbil einmarschieren ließ, rätselte die internationale Gemeinschaft über den Sinn dieser Allianz. Der damals fast unterschriftsreife Handel „Öl für Lebensmittel“ sei „in weite Ferne gerückt“, hieß es bei der UNO. Mit der Vertreibung der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) aus Arbil verlief die vom Irak in die Türkei führende Ölpipeline jedoch nicht mehr durch Gebiete, die von drei Gruppierungen kontrolliert wurden – den irakischen Truppen, der PUK und der KDP –, sondern nur noch von zwei. KDP und Bagdad wollten gemeinsam von der Pipeline profitieren.
Die strenge UN-Aufsicht wird dafür sorgen, daß von der längst überfälligen Regelung „Öl für Lebensmittel“ vorerst nur die irakische Bevölkerung profitiert und nicht das Regime. Beim Irak haben UN-Inspekteure Hartnäckigkeit gezeigt: Das irakische Programm zur Produktion von Massenvernichtungswaffen stellt keine Bedrohung mehr dar. Unerfreulicher ist dagegen der Blick auf die Bereiche, für die sich die UNO nicht interessiert hat. Die 1991 verabschiedete UN-Resolution 688 fordert Menschenrechte im Irak ein. Nichtsdestotrotz läßt Saddam Hussein meucheln und foltern, und die UNO schaut zu – aus der Ferne, statt mit Inspekteuren vor Ort.
Kein Wunder. Denn eine Durchsetzung der Resolution 688 wäre ein direkter Angriff auf Husseins Herrschaft. Ein Diktator kann eben nur mit Gewalt herrschen. Und da sich in den meisten Hauptstädten die Überzeugung durchgesetzt hat, daß ein Sturz des irakischen Staatschefs mehr Unruhe in die Region bringen würde als dessen Despotie, die niemandem mehr weh tut außer der dortigen Bevölkerung, verbietet sich eine solche Perspektive. Ähnlich groß wie die Furcht vor der häufig beschworenen Zersplitterung Iraks dürfte in den Golfstaaten die Angst vor demokratischen Verhältnissen in dem Nachbarland sein. Aus Furcht vor einem solchen „Vorbild“ drängen die Herrscherhäuser am Golf daher eines nach dem anderen auf eine „Normalisierung“ des Verhältnisses zum Irak. Sollten sie sich durchsetzen, wäre Saddam Husseins Kalkül mit der Kontrolle über die Pipeline vollständig aufgegangen. Thomas Dreger
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