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Es gibt viele Neunmalkluge

■ Heinrich Hornef, Leiter der Treuhandnachfolgerin BvS, über die schwierige Kontrolle des Bremer Vulkan

taz: Die EU-Kommission will nicht hinnehmen, daß 300 Millionen Mark für die ostdeutschen Werften noch einmal gezahlt werden.

Heinrich Hornef: Das ist nicht mein Kenntnisstand. Ein EU-Prüfverfahren wurde schon vor Wochen eingeleitet. Wir erwarten keine Beeinträchtigungen unserer Absicht, noch einmal eine Milliarde zur Verfügung zu stellen. Das Geld ist ja nicht für einen ostdeutschen Wettbewerber ausgegeben worden, sondern im Westen versickert. Das Geld hat keinerlei Wirkung auf dem Werftenmarkt entwickelt. Die Vulkan-Geschichte ist für die BvS ein schwerer Rückschlag. Das ist der größte Investor, der versagt hat aufgrund von Mißmanagement und Mißbrauch von öffentlichen Mitteln.

Das haben Sie ja lange Zeit nicht mitgekriegt.

Deswegen haben wir ja auch Strafanzeige wegen Verschleierung gegen den Vorstand des Vulkan gestellt.

Warum haben Sie nicht Strafanzeige gegen die Wirtschaftsprüfer C&L Treuarbeit gestellt, die ja angeblich immer abgewiegelt haben?

Das haben wir sehr gründlich geprüft. Wir hatten aber keine rechtliche Handhabe, von der wir einen Erfolg erwarten konnten. Die C&L Treuarbeit hat Ende 1994 eine Abschlußprüfung des Bremer Vulkan gemacht. In ihrem Bericht steht, daß man bei der Bewertung der Guthaben des Vulkan an die obere Grenze gegangen ist. Bei den Rückstellungen ging man an die untere Grenze. Man hat hier also alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um das Ergebnis noch einigermaßen darzustellen.

Aber in den Berichten von C&L standen doch Warnungen, daß der Vulkan keine Rückstellungen vorgenommen hat.

Das hat die C&L gegeben, aber nicht an uns, sondern an den Aufsichtsrat.

Warum nicht auch an Sie?

An uns hatte die C&L zu berichten, wie unsere Mittel im Cash- Management des Vulkan angelegt sind. Und ob diese zur zweckentsprechenden Verwendung verfügbar sind zu dem Zeitpunkt, wo sie gebraucht werden.

Wie haben Sie vor der Vertragsunterzeichnung den Vulkan geprüft?

Wir haben uns bei Banken und am Kapitalmarkt versichert. Die haben ja noch Aktien emittiert. Heute kommen so Neunmalkluge, die schon immer gesagt haben, dieser ganze Filz in Bremen...

Der war doch sprichwörtlich beim Bremer Vulkan.

Das ist richtig. Die Konkurrenten haben gesagt: Wenn es da ein Loch gibt, findet der Stadtstaat Bremen wieder Geld, das er da reinstopft. Diese Kritik hat uns jedoch nicht gestört. Wenn eine Stadt so hinter dem Unternehmen steht, ist das für uns doch eher ein zusätzliches Plus. Und laut Abschlußprüfer war das bis Ende 1994 ein ordentliches Unternehmen. Wer hätte denn 1992 die Prognosekraft gehabt, daß so ein Unternehmen umfällt?

Der ehemalige Vulkan-Vorstand Timmermann.

Herr Timmermann hat doch auf der Seite des Vulkan gesessen und mit uns die ganze Privatisierung gemacht. Er war unser Hauptverhandlungspartner bis zum Schluß. Und als er im Dezember 93 seinen Abschiedsbesuch machte bei der Treuhand, war von seinen Sorgen die Rede, aber nicht von konkretem Mißbrauch oder ähnlichem. Von einer Schieflage schon gar nicht.

Warum wurde dann das Geld für MTW 1993 auf ein Sperrkonto gelegt, wenn nicht eine Mark versickert ist?

Weil die EU das verlangt hat. Timmermann war nur ein zusätzlicher Hinweis für uns, aber nicht der Auslöser.

Wenn der Finanzvorstand ankommt und Sie warnt, hätten Sie doch genauer prüfen müssen.

Das haben wir gemacht. Wir haben dann durchgesetzt, daß wir für jedes Quartal eine Bestätigung bekommen, daß die Mittel für die Ostwerften zu dem Zeitpunkt, wenn sie gebraucht werden, verfügbar sind. Die C&L hat uns versichert, daß der Vulkan ein lebensfähiger Konzern ist.

Hat die C&L Sie demnach falsch informiert?

Was den Zeitraum bis Ende 94 betrifft, wohl nicht, aber die C&L hat uns nicht ihr ganzes Wissen um die Zukunftsaussichten des Vulkan offenbart. Die Entwicklung wurde ja erst 1995 dramatisch.

Über 850 Millionen Mark Steuergelder sind verloren. Ihre Kontrollmechanismen waren zu schwach. Oder hat C&L gelogen?

Die C&L hat nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet. Aber das war eben nur ein Teil der Wahrheit.

Wieso war der Vulkan so stark?

Wir haben buchstäblich keinen anderen Interessenten gehabt, und dann ist man in keiner komfortablen Position. Dann holt man das heraus, was man kriegen kann. Die Bremer Vulkan-Leute wollten ja noch, daß wir die Verluste unbegrenzt ausgleichen. Was glauben Sie, wie uns da die Ohren jetzt sausen würden.

Bei solchen Vertragsbedingungen hätten Sie doch mißtrauisch werden müssen.

Ja, das ärgert einen. Aber die Alternative wäre gewesen, nicht zu privatisieren. Man muß nicht von vornherein damit rechnen, daß ein Vorstand mit dem Geld durchbrennt und täuscht und verschleiert.

Arbeiten Sie mit C&L Treuarbeit weiter zusammen?

Ja, sicher. Die haben in vielen anderen Fällen eine ordentliche Arbeit gemacht. Aber wenn so ein Unternehmen sauer wird, geht es eben rasant.

Kontrolle ist also unmöglich.

Doch natürlich. Die funktioniert bei 38.000 Verträgen. Aus der C&L-Prognose 1994 ergab sich nicht, daß die Entwicklung 1995 so dramatisch verlaufen würde. Aber wir müssen uns darauf verlassen, daß wir es mit ehrlichen Partnern zu tun haben. Wir sagen ja überhaupt nicht, daß wir keine Fehler gemacht haben. Wo gehandelt wird, werden auch Fehler gemacht. Wir haben unser Herz oft in die Hand genommen und gesagt, wollen wir es mal wagen. Interview: Ulrike Fokken

und Annette Jensen

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