: Schwarz-rote Allianz für Hamburg
Hamburgs politische Klasse bereitet sich auf eine Große Koalition vor. Nicht einmal die GAL glaubt zur Zeit noch an Rot-Grün ■ Von Florian Marten
„Ich bin viel pessimistischer als vor drei Jahren.“ GAL-Oldie Martin Schmidt sieht einen rot-grünen Senat trotz des näher rückenden Wahltermins in weiter Ferne. Und auch das SPD-Mitglied Rolf Fritsch, Hamburgs ÖTV-Boß, macht sich „keine großen Hoffnungen“. Der Frust der einen, ist die Freude der anderen. Auch wenn CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust im tiefsten Innern eine Große Koalition ablehnt und sich eigentlich die SPD in der Oppositionsrolle wünscht – insgeheim bereitet sich seine CDU nach 40jähriger Durststrecke längst auf den Einzug in den Senat vor, und zwar zusammen mit den Sozialdemokraten. Das verschafft auch der GAL-Linken Erleichterung: Eine Große Koalition würde ihr die heftigen Probleme im Falle einer Regierungsbeteiligung ersparen.
Selbst GAL-Realissima Krista Sager gibt Rot-Grün derzeit nur wenig Chancen: „Ich bin völlig davon ab, von einem Gemeinschaftspojekt rot-grüner Reformpolitik zu sprechen. Veränderungen in dieser Stadt wird man nur gegen wichtige Teile der SPD durchsetzen können.“ Eine rot-grüne Koalition wie in Nordrhein-Westfalen, „wo Teile der SPD sich um Veränderungen bemühen, während andere knallhart dagegen arbeiten“, will sie Hamburgs Bürgern „nicht zumuten“. Die hanseatische SPD, vor zehn Jahren noch ein meinungsfroher Haufen, hat sich jede öffentliche Meinung abgewöhnt. Sicher ist nur eins: Sollte die SPD Ende 1997 nicht mit FDP oder Statt Partei regieren können, wird die Partei ihrem Oberhaupt Voscherau die Wahl zwischen Großer Koalition und Rot-Grün überlassen.
Voscherau, der bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen 1993 fälschlicherweise fürchtete, die Partei werde ihn zu Rot-Grün zwingen, steht diesmal vor einer völlig geänderten Ausgangslage. Waren sich früher SPD-Linke, Gewerkschaften und Parteirechte in der gemeinsamen Ablehnung einer Großen Koalition einig – wenngleich auch aus sehr unterschiedlichen Motiven –, so sind jetzt, wie nicht nur Martin Schmidt beobachtet hat, „die Milieugrenzen zwischen CDU und SPD weitgehend abgebaut“. War man sich politisch schon immer nah, so sind nun auch die soziokulturellen Barrieren gefallen.
Damit spricht eigentlich alles für eine Große Koalition, zumal Voscherau aus seiner Ablehnung der Grünen keinen Hehl macht. Er fürchtet, „der kleine Mann“, für ihn Prototyp des SPD-Wählers, werde seiner Partei dann endgültig den Rücken kehren. Wäre da nicht die Bundestagswahl 1998. Krista Sager erläutert: „Voscherau wird abwägen müssen. Schließlich will die SPD 1998 versuchen, Kohl mit Rot-Grün abzuwählen.“ Dieses Kalkül wird auch von führenden Genossen ernst genommen. „Voscherau“, so erfuhr die taz aus Senatskreisen, „könnte sich als Bändiger der Grünen beweisen und so das Eintrittsticket in eine rot-grüne Bundesregierung erhalten.“
Eine glasklare Prognose für die künftige Hamburger Regierung hat dagegen Krista Sager. Auf die Frage, wer Ende 1997 in Hamburg regiert, gibt sie die nicht nur ironisch gemeinte Antwort: „Voscherau – notfalls auch ohne die SPD.“
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