■ Nachschlag: Andreas 500 sprach von „Sexwellen aus dem All“ – Tanjas Nachtcafé jetzt in der Kalkscheune
Draußen wehte es naßkalt, aber drinnen war es warm, dunkel und rauchig.
Die Kalkscheune, ehemals eine Feuerlöschgerätefabrik, ist nach umfangreichen Umbauarbeiten die neue Adresse des Ex-Kreuzclub und des Schlot, eines Jazz- und Cabaretkellers in der Kastanienallee. Es war eine glückliche Fügung, die beide Veranstaltungsorte zusammenführte. Mit dem Ex-Kreuzclub und dem darin beheimateten Nachtcafé von Tanja Ries ist seit der Schließung des Bunker Schluß, und das Schlot wollte sich schon länger vergrößern. Die WBM bot eine Räumlichkeit in der Johannisstraße. Die liegt direkt hinter dem Friedrichstadtpalast, wenn man Richtung Tacheles schaut, und Frank Delenschke, einer der Betreiber der Kalkscheune, nutzte diese zentrale Abseitslage gleich zu einem Werbeslogan: „Wir betrachten uns geographisch und programmatisch zwischen Friedrichstadtpalast und den Grünhaarigen vom Tacheles.“ Er freut sich über den Zuspruch, den die Kalkscheune seit ihrer Eröffnung im Oktober hat.
Der große Raum war auch Sonntag abend schön voll mit jüngeren und älteren Leuten und groß gewordenen Kindern mit ihren Eltern. Tanja Ries führte in einem roten, rosenbesteckten Kleid mit ihrer angenehm bayerisch gefärbten Sprache singend und plaudernd durch den Abend. Außer ihr und einer kleinen Band betraten noch einige andere die um einen Catwalk verlängerte Bühne: Andreas 500, ein flotter Poetry-Performer mit guten Sprüchen gegen „spätadventliche Suizidgedanken“, und Publikumsliebling Ulli Lohr, ein klassischer Entertainer aus dem kurhessischen Bergland, der leider nichts mit dem extrem leckeren Lohrer Pils aus dem Spessart zu tun hat. Ebenfalls im roten Kleid, aber glitzerig mit Pailletten und Perlenschnüren, sang Tomasch, „die einzig echte Diva“, nachdenkliche Geschichten über Nymphomane und Blut im Teppich.
Alle Künstler boten ein sympathisches, etwas harmloses Programm, das glücklicherweise immer scharf an glatter Professionalität vorbeischrammte. Das Publikum war wohlgesinnt und genoß die angenehme Atmosphäre. Ein anderer Schwerpunkt der Kalkscheune sind neben Tanja Ries' Nachtcafé Jazz- und Tangoabende. Außerdem gastiert dort nun jeden Sonntag „Dr. Seltsams Frühschoppen“.
Es sitzt sich ganz behaglich in der Kalkscheune, nur gibt es leider keine losen Zigaretten, was ein schöner Service und für Gelegenheitsraucherinnen einfach optimal ist. Katrin Schings
Kalkscheune, Johannisstraße 2, vielfältiges Programm
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