■ Weihnachtsmißbräuche. Heute:: Glühwein
Woran merkt man, daß Weihnachten vor der Tür stinkt? Daran, daß die ganze Stadt durchzogen wird von ekelhaften Glühweinschwaden. Jener alkoholschwangere Dunst, der das naßkalte Dezemberklima so brechreizerregend anreichert. Muffiger, feuchter Mief. Es gibt kaum etwas, das würgender in die Empfindungsorgane einmöckert als Glühweingerüche. Höchstens noch gründlich durchgeschwitzte Tennissocken, die in einer hermetisch verschlossenen Plastiktüte eine Woche lang vergessen wurden.
Warum wird in der Weihnachtszeit so besinnungslos Glühwein geschlabbert? Warum sind alle halbwegs begehbaren Stadtflächen zugestellt mit geschmacklos zusammengezimmerten Holzbuden, an denen sich übellaunige, rotgesichtige Menschen aufgewärmte, zwölfprozentige Zuckerbrühe zwischen die Hirnschalen hämmern und auf diese Weise was entwickeln?
Vorweihnachtsfreude? Besinnliche Stimmung? Wenn Sie mich fragen, entwickeln die nur eines: Mundgeruch der fauligsten Sorte. Glühweinatem – der Pesthauch des Festes.
Wenn ich mir zu Weihnachten was wünschen dürfte, wäre es ein lang anhaltender, strenger Dezemberfrost. Eine adventliche Dauereiszeit, die jeden gefrierfrostet, der seine Hand nach einem stinkenden Glühweinglas ausstreckt. Fritz Eckenga
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen