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Auch Ökos sollen klagen dürfen

Die EU-Kommission denkt über ein Verbandsklagerecht für Umweltverbände nach. Ökologen könnten vor Ort EU-Umweltrecht durchsetzen helfen. Nicht nur die Bundesregierung mauert  ■ Von Silke Albin

Berlin (taz) – Es knistert wieder in der Kommission. In einem kürzlich veröffentlichten Strategiepapier zeigt die EU-Kommission auf, wie die Durchsetzung von EU- Umweltvorschriften in den Ländern zukünftig besser kontrolliert werden soll. „Immer weniger könne wir als einzelne Behörde alle fünfzehn Mitgliedstaaten bei der Einhaltung des europäischen Umweltrechts überwachen“, erklärt ein hoher Beamter der Generaldirektion XI für Umwelt in der Kommission die Hintergründe des Papiers, „von den meisten Verstößen gegen Umweltschutzregelungen erfahren wir nie etwas.“

Was die Beamten nicht schaffen, sollen künftig am besten die Bürger selbst erledigen. Kernstück des dreißigseitigen Strategiepapiers der Kommission ist es nämlich, den Umweltverbänden den Zugang zu den nationalen Gerichten zu erleichtern. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die europaweite Einführung einer Verbandsklage. Bisher kennen nur die wenigsten Länder der EU ein umfassendes Klagerecht für Umweltverbände. Frankreich und die Niederlande bilden die Ausnahmen. Auch in Deutschland müssen Umweltverbände dem Bau der Osteeautobahn A20 oder der ICE- Trasse im Thüringer Wald zusehen, ohne sich vor Gericht wehren zu können.

Dabei spricht viel dafür, daß der Bundesverkehrswegeplan gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie und die Habitat-Richtlinie verstößt. Aber bislang kann nur die Kommission selbst bei Verstößen gegen solche Richtlinien einen Mitgliedstaat verklagen. Kümmern kann sie sich schon mangels Personal allenfalls um wenige besonders gravierende Verstöße.

Die Brüsseler Umweltbeamten versuchen vor allem deswegen die Umweltschützer verstärkt in die Kontrolle der Gesetze einzubeziehen, weil diese meist viel besser über die Probleme vor Ort informiert sind. Schon heute richten die Umweltverbände jährlich bis zu 400 Beschwerden an die Kommission, weil in den Mitgliedstaaten EU-Umweltrecht mißachtet wird.

So deutlich die Strategie ausformuliert wird, so wenig vielversprechend ist allerdings bisher das konkrete Agieren der Kommission. Anstatt einen konkreten Richtlinienentwurf zum Thema Verbandsklage vorzulegen, wie es die niederländische Regierung im Umweltministerrat im Juni gefordert hatte, bleibt die Kommission mit ihrem Strategiepapier im Stadium der Vorüberlegungen stecken.

Dabei hat sie seit 1993 einen von ihr selbst in Auftrag gegebenen Entwurf zur Einfühung einer Verbandsklage auf dem Tisch liegen. Den hatte damals das Ökoinstitut Darmstadt verfaßt.

„Langfristig werden wir um die Verbandsklage in der europäischen Umweltpolitik nicht herumkommen“, bekannte der Beamte der GD XI. Doch gegen den erklärten Willen der Mitgliedstaaten könne die Kommission nicht angehen.

Eine Reihe der Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland und Großbritannien, hatten vor der Veröffentlichung des Strategiepapiers signalisiert, daß sie sich auf eine Verbandsklage zum jetzigen Zeitpunkt nicht einlassen würden.

Genau hier liegt in der Tat das Dilemma, das auch die unglückliche Rolle der Kommission in der europäischen Umweltpolitik widerspiegelt. Der Kommission ist längst klar: Umweltverbände sind unerläßliche Partner der Verwaltung bei der Überwachung von Umweltstandards.

Bei den nationalen Regierungen hat sich diese Einsicht noch nicht durchgesetzt. Vielleicht aber könnte der Schritt der Kommission wenigstens eines leisten: die Verbandsklage in Deutschland und anderen widerstrebenden EU- Staaten wieder zu einem politischen Thema zu machen.

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