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Hebron-Abkommen zum Jahresende?

Kommende Woche soll der Vertrag unterzeichnet werden. Israels Premier kann auf breite Unterstützung rechnen. Und die Chancen für eine Koalition der nationalen Einheit steigen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Das israelisch-palästinensische Abkommen über den Teilabzug der israelischen Armee aus Hebron soll am kommenden Mittwoch unterzeichnet werden. Der palästinensische Präsident Jassir Arafat sagte am Donnerstag, er rechne damit, daß ein entsprechender Vertrag am 31. Dezember geschlossen werde.

Vorher sollen morgen die Chefs der palästinensischen Geheimdienste und der Sicherheitsbeauftragte der Selbstverwaltungsbehörde General Abdel Rezek Al- Yhieh mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zusammenkommen. Dennis Ross, der US-Sonderbeauftragte für den Friedensprozeß, wird am Montag in Jerusalem erwartet, um die letzten bis dahin noch strittigen Fragen klären zu helfen.

Derweil versuchen die israelischen und palästinensischen Verhandlungsteams Kompromisse für noch offene Fragen zu finden. Dazu gehören die von den Palästinensern geforderte Wiedereröffnung der von den Besatzungsbehörden gesperrten zentralen Schuhada-Straße und die Bewaffnung der palästinensischen Polizei. Sie soll sich mit israelischen Sicherheitsleuten an zukünftigen Patrouillen in Hebron beteiligen.

Einstweilen bastelt Netanjahu vor allem an einer möglichst großen Mehrheit in seiner Regierung und der Knesset für das Abkommen. Widerstand leisten derzeit noch einige Likud-Minister, wie Ariel Scharon, sowie die Mehrheit der Vertreter der national-religiösen Partei in der Koalition, die sich als Siedler-Lobby versteht. Netanjahu kann sich jedoch jetzt schon einer mehrheitlichen Unterstützung der Regierungsmitglieder sicher sein. In der Knesset kann es zwar zu einer peinlichen Enthaltung einiger Koalitionsvertreter kommen. Die Arbeitspartei-Opposition hat der Regierung in diesem Fall bereits ihr „Sicherheitsnetz“ versprochen, so daß Mißtrauensanträge Netanjahu nichts anhaben können. Mit dieser Entwicklung bessern sich auch die Aussichten für eine „große Koalition der nationalen Einheit“, die in einigen einflußreichen Führungskreisen der Arbeitspartei und des Likud befürwortet wird und auch in den USA Unterstützung findet. Oppositionsführer Schimon Peres, der in der Arbeitspartei für die „nationale Einheitsregierung“ mit dem Likud und religiösen Koalitionspartnern eintritt, hat die Unterstützung seiner Fraktion in der Knesset für das Hebroner Abkommen „in jedem Fall“ zugesagt. „Von ein paar Details abgesehen, die durch bombastische Rhetorik hochgespielt werden, aber in Wirklichkeit so gut wie nichts ändern, gibt es keine Unterschiede zwischen dem Osloer und den gegenwärtig ausgehandelten Abkommen für eine Truppenumstellung in Hebron“, erklärte Peres. Er wies darauf hin, daß Israel weiter in allen Sicherheitsbelangen entscheidet und nach Belieben militärisch intervenieren kann. Das gilt auch in den von der palästinensischen Selbstverwaltung kontrollierten Gebieten des Westufers und Gaza- Streifens und ist unabhängig davon, ob es nun besondere Abmachungen über „hot pursuit“-Bedingungen für die israelische Sicherheit in diesen Gebieten gibt.

Es ist zwar von praktischer Bedeutung, was nach der Truppenverschiebung in Hebron geschieht und wie die weniger als 500 israelischen Siedler mit der palästinensischen Mehrheit weiter zusammenleben. Aber eine entscheidende Frage bleibt: Wie soll der Friedensprozeß weitergehen, das heißt, wie verhält sich Israel zu den bisher nicht verwirklichten Punkten der Osloer Abkommen? Das betrifft weitere Truppenverschiebungen am Westufer, die Freilassung von Gefangenen und die Herstellung einer palästinensischen Landbrücke zwischen dem Westufer und dem Gaza-Streifen.

Ebenso schicksalhaft für die weitere Entwicklung sind die israelische Siedlungspolitik sowie die sogenannten Endphaseverhandlungen. Deren Beginn war auf Mai dieses Jahres festgelegt worden, wurde jedoch von Israel auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Truppenverschiebung in Hebron ist demnach zwar ein Meilenstein, aber keineswegs der Kern des israelisch-palästinensischen Konflikts. Und der ist noch weit von einer Lösung entfernt.

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