Kommentar (s.S.24): Ihr Leben
■ Obdachlose sind BürgerInnen
Eine absurde Situation: Mehr als hundert BremerInnen schlafen bei diesen arktischen Temperaturen im Freien – und die Notunterkünfte haben noch Plätze frei. Mehr als hundert BremerInnen ziehen das Risiko des Kältetodes den Betten in der Duckwitzstraße und im Jakobushaus vor. Die MitarbeiterInnen dort raufen sich die Haare. Verständlich.
Für einen Teil der Obdachlosen sind aber diese Schlafgelegenheiten, verglichen mit der Kälte, offensichtlich der größere Horror. Sie wollen keine automatische Sozialpädagogisierung als Nachtisch zur wärmenden Suppe. Lieber allein unter der Brücke als im muffigen Schlafsaal, mit Leuten, die man sich nicht aussuchen kann, die einen möglicherweise noch beklauen. Bei aller Verrücktheit angesichts der Eiseskälte – diese Verweigerung ist auch ein Zeichen von Stolz und Selbstachtung. Würde statt Wärme; sie riskieren ihr Leben, aber genau das ist es eben noch: ihr Leben.
Die Notunterkünfte sind unterbelegt, die Billigpensionen und billigen Wohnungen aber ausgelastet. Ein Zeichen dafür, daß es genau daran fehlt. Damit könnten nicht alle ins Warme gebracht werden, die jetzt noch frieren. Aber wenigstens ein paar. Und das sollte doch Motivation genug sein. Obdachlose sind immer noch BürgerInnen, Würde inklusive. Jochen Grabler
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