: Die Revolution, heute mit: Jürgen Elsässer! Von Wiglaf Droste
Möchten Sie einmal so richtig gefährlich sein? Intelligent, verschwörerisch, psychedelisch? Bolschewikisch, guerillerisch und haschrebellisch? Kein Problem: Kommen Sie nach Berlin in die Humboldt-Universität am Samstag, 11. Januar 1997, zur Rosa Luxemburg-Konferenz mit dem Titel: „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark!“ (9 bis 17 Uhr, Eintritt frei).
Da nämlich gibt es das alles zu gucken, zu simulieren und zu sein: „Die Linken. Gefährliche Individualisten und Verschwörer. Sie operieren hinter den Linien des neuen Deutschland: Panzerknacker, Medienguerillas, Computer- Saboteure, psychedelische BolschewikInnen, umherstreifende Haschrebellen, ArbeitsverweigerInnen, La Pasionara von Sket Magdeburg und Die Kleinen Strolche. Ihr Gegner: Nation und Kapital. Ihr Slogan: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach ihren Bedürfnissen.“ (sic)
Genau so, eben ganz nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen, schreibt sich Jürgen Elsässer im Vorfeld der Veranstaltung in der Tageszeitung junge Welt die Welt zurecht: Als lüde er zu einer Butterfahrt, Selbstbeweihräucherung inbegriffen. Jeder Teilnehmer erhält ein halbes Pfund Weltanschauung. Daß er dabei, wie sonst die Sozialdemokraten von der PDS, auf dem Rosa-Luxemburg- Ticket reist, ist unappetitlich.
Aber was soll der Mann machen? Wer keine Gedanken hat, muß eklektizieren gehen. „Auf das Platteste, Abgeschmackteste fallen sie herein“, zitiert er Rosa Luxemburgs Urteil über ihre deutschnational verblendeten Landsleute. Und das, wo doch seine, Elsässers, einzige Hoffnung die sein kann, seine Zuhörerinnen und Zuhörer gingen ihm und seinen bauernfängerischen Platitüden auf den Leim.
„Wir hoffen auf die kontroverse Diskussion der Veteranen von SDS und SED, der Castro-Fans und Castor-Gegner“, geht es mit dem alliterierenden Pathos weiter, in dem sich Erweckungsprediger und schlechte Volksredner so gerne sonnen. „Wir hoffen auf die schrägen Fragen der Kids.“
Mit diesem Quark kann er nun wirklich der SPD beitreten. Zum Schluß seines Deliriums rückt Elsässer dann doch noch mit der Sprache heraus: „Wir hoffen auf die Unzufriedenheit der Verzweifelten.“
Wer nur über ein Minimum an Verstand und Erfahrung verfügt, der weiß, daß unzufriedene, panische Deutsche niemals nach links laufen, sondern immer nur Richtung Heimat, nach rechts. Einer, der sich – den eigenen Hintern selbstredend wohlgebettet – wünscht, es möge möglichst vielen möglichst dreckig gehen, der ist dann doch nicht einfach nur meschugge, sondern, menschlich wie politisch gesehen, ein Fall für die Müllabfuhr.
In junge Welt leitet Jürgen Elsässer laut Impressum das Ressort „Besondere Aufgaben“, ein geradezu elsässerischer Euphemismus für Rumlungern und Redenschwingen. Viele Zeitungen halten sich jetzt so etwas: Der Berliner Tagesspiegel holte sich als Grüßaugust die Landplage Hellmuth Karasek ins Haus, dessen vakanten Job beim Spiegel Henlyk M. Blodel übernimmt, und in der taz hatte in den Achtzigern Klaus Hartung diesen Posten inne. Hartungs Spitzname übrigens – und damit schließt sich der Kreis zur Luxemburg-Konferenz – war „Quark“.
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