Kommentar: Bauchredner
■ Die Wehrmacht macht gedankenfrei
Wenn ein alter verbitterter Mann sich ein altverbittertes Gedicht über die bösen Nachgeborenen zusammenreimt, dann ist das nicht mal eine Meldung wert. Wenn der gallige Erguß im Mitteilungsblättchen der Bremer Hausbesitzer – nicht gerade die Ärmsten und Machtlosesten in der Stadt – erscheint, dann wird die Sache schon interessanter. Die Nachricht dabei ist nicht etwa, daß „Haus und Grund“ das reaktionärste Geschreibsel in ihr Blatt gehievt hat, das im Streit um die Wehrmachtsausstellung erschienen ist. Entscheidend ist, wie harmlos-erstaunt die Häuslefunktionäre reagieren, wenn sie nach dem Gedicht gefragt werden. Daß sie da möglicherweise danebengegriffen haben, das kommt ihnen nicht in den Sinn.
Ist „Haus und Grund“ zum rechtsextremen Traditionsverein verkommen? Ach was. Der Verein ist genauso normaldeutsch wie Bernd Neumann von der CDU. Je länger die Debatte um die Ausstellung dauert, desto klarer wird, wie wenig „Debatte“ eigentlich stattfindet. Nach wie vor scheinen zwei Welten aufeinanderzuprallen, unversöhnlich grollend, zur Kommunikation nicht in der Lage. Immer klarer wird die Macht der Gefühle, wenn die Rede auf die Wehrmacht kommt. Plötzlich betreten massenhaft Bauchredner die Bühne. Was dabei herauskommt ist deutsche Seelenlage pur. Es spricht geradezu aus ihnen heraus, unter weiträumiger Umfahrung des Kopfes. Sehr lehrreich. Jochen Grabler
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