: Ein Hirn wie Rührei
■ Nach dem Erstrunden-Aus bei den Australian Open kann sich Boris Becker das Jahresziel "Nummer 1" abschminken
Melbourne (dpa) – Boris Becker bleibt auch für sich selbst unberechenbar. Immer, wenn es scheint, als sei alles gut...ist es das nicht. In der Gluthitze von Melbourne verlor der hochgewettete Titelverteidiger gestern gleich zum Auftakt der Australian Open nach einem schweißtreibenden Drama in fünf Sätzen mit 7:5, 6:7 (4:7), 6:3, 1:6, 4:6 gegen den Spanier Carlos Moya. Souverän in die zweite Runde zogen dagegen die Tennisprofis Steffi Graf und Michael Stich. „Es war eines der Matches, bei denen ich am Ende nicht mehr weiß, wie ich heiße“, erzählte der bitter enttäuschte Becker. Dabei meinte er, gar nicht mal so schlecht gespielt zu haben. Aber die hohen Temperaturen saugten nach und nach die Energie aus „meinem nicht mehr so frischen 29jährigen Körper“ (Becker).
Immer wieder kehrten Beckers Gedanken zur ungeheuren Hitze zurück, die er in Australien seit jeher mehr als alles andere fürchtet. „Ich weiß zwar nicht, wie heiß es war, aber es war schon extrem. Mein Hirn war wie Rührei.“ Nach dem dritten Satz sei er völlig am Ende gewesen, gab auch Moya zu. „Da habe ich gedacht, der kippt jeden Moment um“, meinte Becker. Doch Moya kippte nicht.
Die Chance, in diesem Jahr noch einmal die Nummer eins zu werden, ist für Becker nun bereits nach zwei Wochen fast auf Null gesunken. In der nächsten Weltrangliste nach den Australian Open wird der entthronte Titelverteidiger aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal mehr unter den Top Ten zu finden sein. Von seinen 2.944 Punkten büßt er 1.013 ein. „Die Nummer eins bleibt mein Traum, und diesem Traum werde ich nachjagen, solange ich Tennis spiele“, sagte Becker. Aber er ist natürlich auch schon lange genug im Geschäft, um zu wissen, wie schwer es nun wird. Er will jetzt erst einmal Pause machen, zusätzliche Turniere will er seinem Körper nicht zumuten. „Ich werde wegen dieser Niederlage jetzt nicht panisch werden.“
Der Deutsche Tennis-Bund will Becker nun unter dem Druck des Rechtevermarkters Ufa für das Daviscup-Spiel auf Mallorca gegen Spanien (7. bis 9. Februar) gewinnen, doch der will nicht. „Wollt Ihr mich veralbern? Die haben da zehn Moyas, die auf mich warten“, sagte Becker auf die Frage, ob er es sich vielleicht doch noch anders überlegen wolle. Die Ufa hat 125 Milklionen Mark für einen Fünfjahresvertrag bezahlt, bisher aber für das Spiel ohne Becker (und ohne Stich) keinen TV-Abnehmer finden können.
Derweil klappten die Comebacks der lange verletzten Wimbledonsieger Steffi Graf und Michael Stich. Graf hatte es einfach gegen Janette Husarova aus der Slowakei, die sich beim Stande von 5:1 für die Weltranglisten-Erste ein Kreuzband im linken Knie riß und die ungleiche Partie nach nur 22 Minuten aufgeben mußte.
„Es ist ein schönes Gefühl, endlich einmal gut vorbereitet in ein Turnier gehen zu können“, sagte Graf (27) nach ihrem kurzen Aufgaloppp, dem sie umgehend ein einstündiges Training folgen ließ. Auf dem Weg zu ihrem fünften Erfolg in Melbourne trifft sie nun auf Larisa Neiland aus Lettland.
Patrik Fredriksson hatte dem wie umgekrempelt wirkenden Michael Stich bei dessen 6:3, 6:2, 6:2-Sieg nur wenig entgegenzusetzen und mußte das Match nach 1:36 Stunden resigniert verloren geben. „Hundertprozentig zufrieden mit dem, was ich gemacht habe“, war Stich. Er muß sich gegen den Ukrainer Andrej Medwedew aber sicherlich auf stärkere Gegenwehr einstellen. Doch die Zeichen stehen günstig: Hartes Training, die Hände seines neuen Physiotherapeuten Alex Stober und die guten Tips seines neuen Coaches Wally Masur scheinen ihm gut zu tun. „Ich höre ihm zu, das tue ich sicherlich nicht bei Vielen“, sagt Stich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen