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Killing me softly

Sergeant Thornton ist Gleichstellungsbeauftragter der U.S. Army in Heidelberg. Seine Mission: „Fight and win“, aber ohne Blondinenwitze  ■ Von Karin Gabbert

Die Männer kichern und tuscheln, schieben sich Notizen hin und her und klopfen Sprüche wie: „Die Frau ist dem Manne untertan, also muß sie den Mann von unten belästigen.“ Die Männer sind deutsche Offiziere. Sie haben Glück gehabt, finden sie: Sie sind nicht in einer langweiligen politischen Fortbildung über Rüstungskontrollen gelandet, sondern in einer Diskussion über Frauen und Militär. Das hat höheren Unterhaltungswert.

Vor ihnen steht Sergeant Thornton. Er erzählt stolz von der U.S. Army: „Jeder weibliche oder männliche Soldat muß einen harten Fitneßtest bestehen. Unsere Frauen sind richtig tough.“ Das paßt den Deutschen nicht. Frauen sind viel zu emotional für den Krieg, finden sie. Konfliktscheu. Fangen an zu heulen. Der vom Elitebataillon ist sicher, daß keine Frau seinen Job übernehmen könnte. Und wenn doch? „Wenn sich eine Frau dem Militär anpaßt, ist sie keine Frau mehr“, meint er.

Sergeant Thornton setzt sich vor ihm auf die Tischplatte, legt ihm einen Arm um den Nacken, nimmt seine Hand. Guckt ihm tief in die Augen und fragt sanft: „Kann ich nicht mehr kämpfen, wenn ich weich bin?“ Totenstille im Raum. Der Offizier pariert: „Alle würden sagen: Oha, die beiden hat's erwischt, wenn wir so ins Casino gehen würden.“ Er besteht auf seiner Meinung: „Wenn ein Mann weich ist, bleibt er nicht bei uns.“

Aber die Szene hat gewirkt. Zum ersten Mal sind die Deutschen ruhig. Sergeant Thornton hat sich Aufmerksamkeit verschafft. Er beginnt wieder vor ihnen auf und ab zu gehen, wobei seine schweren Lackschuhe leise knarren. Thornton ist nicht nur weich, sonst wäre der Trick als Homo-Nummer nach hinten losgegangen. Thornton darf das, weil er sich bereits als echter Kämpfer vorgestellt hat: Er ist seit 13 Jahren bei der Armee und war an Missionen all over the world beteiligt.

Und er hat gerade wieder den Fitneßtest bestanden. Diese ständige Leistungskontrolle bei der U.S. Army imponiert den deutschen Offizieren außerordentlich – genau wie der gerade mal 31jährige Thornton. Der ist nicht nur Soldat, sondern hat auch internationales Management studiert. Außerdem betreibt er ein Unternehmen für Fitneßtraining. Er spielt selbst Golf, läuft, fährt Ski. „Ich siege gern“, sagt Thornton. Deswegen ist er auch bei der Armee: „Denn unsere Army ist die beste der Welt.“ Und er ist dazu da, sie noch mehr zu verbessern.

Sergeant Thornton ist „Equal Opportunity Advisor“, eine Art Gleichstellungsbeauftragter, einer von über dreitausend in der U.S. Army. Ausgebildet werden sie im „Defense Equal Opportunity Management Institute“ in Florida, kurz DEOMI genannt. Mittlerweile gilt es auch bei Managern als erste Adresse. Sie lassen sich dort beim eigens gegründeten „Programm für Zivile“ trainieren.

Thornton traf es wie ein Schlag, als ihn die Army aus seiner glänzenden militärischen Laufbahn riß und zur viermonatigen Ausbildung ins DEOMI schickte. Befehl: Melden Sie sich freiwillig! „Also gehorchte ich zähneknirschend“, meint Thornton. „Ich wußte damals genau, daß wir keine Frauen in der Army brauchen, außer auf Nacktfotos in den Spinden.“

Die Haltung der deutschen Offiziere gegenüber Frauen findet er nicht krasser als seine damals. Sie werden sich an Frauen in einer Berufsarmee gewöhnen, meint er. Sie dafür zu gewinnen, das ist sein Job. Im Gegensatz zu den gender-geschulten US-amerikanischen GIs, für die Thornton in Heidelberg zuständig ist, sind die Deutschen blutige Anfänger beim Thema Integration von Frauen und zeigen ihre Abwehr noch unverblümt. Deshalb setzt Thornton in seinem Vortrag auf die einfachsten Formeln: „Es gibt keine schlechten Soldaten – nur Führungsfehler.“ „Eine Armee muß kämpfen und siegen.“ „Fight and win.“ Da nicken die Offiziere. Thornton betont nicht extra, daß beides auch für eine Armee mit Frauen gilt. Statt dessen läßt er immer wieder einfließen: „Ich bin kein Psychologe, sondern in erster Linie Soldat.“ In der Seminarpause gibt er zu: „Oft bin ich Entertainer.“ Und Prediger – denn er glaubt, was er tut.

Und wie wurde er bekehrt? Das Schlüsselerlebnis für seine Wandlung vom Frauenfeind zum Verfechter der „Emanzipation“ war die Ausbildung im DEOMI. „Das Training wirkt geräusch-, geruch- und farblos. Du merkst es erst, wenn es vorbei ist. Dann wird dir klar, daß du anders denkst, dich anders verhältst.“ Wie eine Art Gehirnwäsche. Noch heute denkt er mit Grausen an die Aufnahmeprüfung im DEOMI. „Wir bekamen zwei Tage Zeit, um uns auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten.“ Als er vor das Auswahlgremium trat, bekam er den ersten Schock: Ihm saßen ausschließlich Frauen gegenüber. „Die benutzten alle denkbaren Formen der Demütigung“, meint er, rückt aber selbst heute nur unwillig Beispiele heraus. Eine der Frauen machte ihm Komplimente über sein Aussehen und betatschte ihn. Er solle sich bis auf die Shorts ausziehen und vortanzen. „So etwas Schlimmes hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt“, sagt Thornton. Einige seiner Mitbewerber liefen aus dem Raum, andere brachen heulend zusammen.

Anschließend begriff er: Frauen müssen ständig solche Erfahrungen machen. „Ich dachte an meine Töchter“, meint Thornton. „Daß sie sich auch einmal bewerben müssen, wenn sie studieren wollen.“ Von diesem Augenblick an besaß er den Schlüssel für eine neue Philosophie: Er lernte, die andere Seite zu sehen. „Im Krieg wie in der Wirtschaft ist es wichtig, verschiedene Perspektiven einzunehmen, um keinen Fehler zu machen“, sagt er. „Keiner kann alleine siegen. Das beste Team bekomme ich, wenn ich die Individualität respektiere.“ In diesem Sinne findet er Frauen jetzt sogar bereichernd fürs Militär: „Frauen denken globaler als Männer“.

Bis er 16 Jahre alt war, dachte er, alle Frauen hießen Honey, Sweety oder Baby. Das sagte schon sein Vater. Und „der Vater hat ja immer recht“, erklärt er den deutschen Offizieren, denen die kleine Ironie völlig entgeht. Er faßt es noch mal in Worte, die sie verstehen: „Es ist genauso wichtig, jede Frau mit ihrem Namen anzusprechen wie einen Offizier mit seinem Rang.“ Sein Vater war ebenfalls im Militär – beim separaten Fallschirmspringerbataillon der Schwarzen. Es ist naheliegend, die Geschichte der schwarzen Soldaten mit der der weiblichen zu vergleichen. Obwohl sich beide durch den Militärdienst die Anerkennung ihres Staates zu verschaffen glaubten, wurden sie immer wieder diskriminiert. Im Zweiten Weltkrieg mußte First Lady Eleannor Roosevelt intervenieren, um dem schwarzen Kampfpilotengeschwader von Tuskagee einen Einsatz zu verschaffen. Weiße Bomberpiloten wollten keine „Nigger“ als Flankenschutz. Genauso wie die Männer bis heute die Kampfeinheiten und Eliteakademien mit Zähnen und Klauen als letzte Bastion gegen Frauen verteidigen.

1971 wurde das DEOMI gegründet – als unmittelbare Reaktion auf den Vietnamkrieg und die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Damals war es zu Rebellionen in Militärstützpunkten auf der ganzen Welt gekommen. 1968 richteten auf einem Kriegsschiff stationierte weiße und schwarze Soldaten sogar die Waffen aufeinander. Aus dem gleichen Grund mußten ganze Kasernen von der Polizei geräumt werden.

„Wir hatten ein Problem: Unsere Armee war beinahe kampfunfähig“, erzählt Thornton den deutschen Offizieren. Deshalb begann ab 1971 das „Training für die Rassenverständigung“ an dem eigens dafür gegründeten Institut. In den Jahren nach dem Vietnamkrieg, als die Armee akuten Personalmangel hatte, stieg der Anteil von Frauen von 1,5 auf heute 12,4 Prozent – das ist der weltweit höchste Anteil einer Armee. Um die Integration von Frauen genauso zu fördern wie die von Schwarzen, gehört seit Anfang der 80er auch die „Verständigung zwischen den Geschlechtern“ zum Training.

Das DEOMI besitzt einen großen Gebäudekomplex auf dem Luftwaffenstützpunkt in Florida, eine Bibliothek mit 12.000 Büchern über Gleichstellungsthemen, die aktuellsten Daten über Minderheiten in der Armee inklusive halbjährliche Berichte über sexuelle Belästigungen. Mittlerweile sind dort über 17.000 Gleichstellungsbeauftragte ausgebildet worden. Sie sind in ihren Einheiten für die Schulungen zuständig, denen sich jeder Offizier, jeder Unteroffizier und jeder Soldat – egal ob Frau oder Mann – alle sechs Monate unterziehen muß. Die „Equal Opportunity Advisors“ haben auch die Aufgabe, bei Diskriminierungen und sexuellen Belästigungen zu vermitteln. Ihre Mission lautet: „Die Kampfbereitschaft durch positive menschliche Beziehungen stärken.“

Thornton ist einer dieser Berater. Er betreut die 22.000 in Heidelberg stationierten Militärs und ihre Angehörigen. Er vermittelt auch bei Vorwürfen wegen sexueller Belästigung. Die deutschen Offiziere fangen bei diesem Stichwort wieder an zu tuscheln. „Wenn das Ihrer eigenen Frau passiert oder Ihren Kindern, dann wollen Sie auch ganz schnell, daß jemand etwas dagegen unternimmt“, meint Thornton. Auch der neueste „Sex- Skandal“ in der Armee zeige nur, wie wichtig das Sensibilitätstraining sei. Im November wurden drei Ausbilder in einem Camp in Maryland angeklagt, über 30 Rekrutinnen vergewaltigt oder sexuell genötigt zu haben. Obwohl das eine Lawine von weiteren Anzeigen auslöste, redeten die Generäle, die den Fall an die Öffentlichkeit brachten, von Einzelfällen.

Auch Thornton sieht das Problem nicht in der Struktur der Armee, in der Ausbildung zum Gehorchen und Töten, in der Erniedrigung von neuen RekrutInnen durch die „Drill Sergeants“. Sexuelle Belästigung komme sowohl im Militär als auch in der Gesellschaft vor, wenn Leute ihre Macht mißbrauchten. Aber die Armee nehme diese kriminellen Aktionen genauso ernst wie ganz subtile Belästigungen. Denn sie würden immer Einheit und Disziplin untergraben: zum Beispiel, wenn eine Frau einem Vorgesetzten ständig Kaffee koche und deshalb häufiger freibekomme. „Das muß nicht sein“, meint Thornton. „Genausowenig wie Blondinenwitze.“

Das bringt die deutschen Offiziere auf die Palme. Sie sollen nicht mehr lachen dürfen? Nicht mehr locker sein? „Ich soll also geschlechtsneutral denken“, empört sich einer. Dann dürfe er ja nicht mal mehr älteren Damen im Bus einen Sitz anbieten. Thornton sagt nicht, daß das lächerlich ist. Er sagt: „Sie kennen die Antwort, Sie sind beim deutschen Militär. Alles was es in der Gesellschaft gibt, gibt es auch im Militär, aber wir müssen Vorbild sein. Und haben Sie diese Witze wirklich nötig?“

Das trifft die Deutschen – und ihre Minderwertigkeitskomplexe: Sie fühlen sich als Soldaten von der Gesellschaft ausgestoßen, erst seit kurzem dürfen sie durch Einsätze in Somalia und Bosien beweisen, daß sie zu irgend etwas gut sind. Wenn er sie bei ihrer Ehre packt, kommt Thornton an. „Von Ihnen wird Professionalität erwartet. Gleichberechtigung ist kein Frauenproblem, sondern ein Führungsproblem“, trichtert er ihnen ein. Und nimmt ihnen die Angst davor, daß Frauen ihren Ruhm schmälern könnten, daß Frauen irgend etwas ändern könnten an der Armee, außer sie effizienter und schlagkräftiger zu machen.

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